Momo
ins Auge sehen, daß eine fremde Macht sich in diese Angelegenheit eingemischt hat. Ich habe alle Möglichkeiten exakt durchgerechnet. Die Wahrscheinlichkeit, daß ein Menschenkind lebend und aus eigener Kraft den Bereich der Zeit verlassen kann, beträgt genau 1:42 Millionen. Mit anderen Worten, es ist praktisch ausgeschlossen.“
Ein aufgeregtes Raunen ging durch die Reihen der Vorstandsmitglieder.
„Alles spricht dafür“, fuhr der Redner fort, nachdem sich das Gemurmel gelegt hatte, „daß dem Mädchen Momo geholfen worden ist, sich unserem Zugriff zu entziehen. Sie alle wissen, von wem ich rede. Es handelt sich um jenen sogenannten Meister Hora.“ Bei diesem Namen zuckten die meisten der grauen Herren zusammen, als seien sie geschlagen worden, andere sprangen auf und begannen heftig gestikulierend durcheinanderzuschreien. „Bitte, meine Herren!“ rief der vierte Redner mit ausgebreiteten Armen, „ich bitte Sie dringend, sich zu beherrschen. Ich weiß so gut wie Sie alle, daß die Nennung dieses Namens - nun, sagen wir einmal, nicht ganz schicklich ist. Es kostet mich selbst Überwindung, aber wir wollen und müssen klar sehen! Wenn jener – Sogenannte dem Mädchen Momo geholfen hat, dann hat er seine Gründe dafür. Und diese Gründe, das liegt wohl auf der Hand, sind gegen uns gerichtet.
Kurzum, meine Herren, wir müssen damit rechnen, daß jener - Sogenannte dieses Kind nicht nur einfach zurückschickt, sondern daß er es obendrein noch gegen uns ausrüsten wird. Dann wird es eine tödliche Gefahr für uns werden. Wir müssen also nicht nur bereit sein, die Zeit eines Menschenlebens ein zweites Mal zu opfern oder ein Vielfaches davon – nein, meine Herren, wir müssen, wenn es sein muß, alles, ich wiederhole, alles einsetzen! Denn in diesem Fall könnte uns jegliche Sparsamkeit verdammt teuer zu stehen kommen. Ich denke, Sie verstehen, was ich meine.“
Die Aufregung unter den grauen Herren nahm zu, alle redeten durcheinander. Ein fünfter Redner sprang auf seinen Stuhl und fuchtelte wild mit den Händen.
„Ruhe, Ruhe!“ schrie er. „Der Herr Vorredner beschränkt sich leider darauf, allerlei katastrophale Möglichkeiten anzudeuten. Aber offenbar weiß er selbst nicht, was wir dagegen tun sollen! Er sagt, wir sollen zu jedem Opfer bereit sein - nun gut! Wir sollen zum Äußersten entschlossen sein – nun gut! Wir sollen nicht sparsam mit unseren Vorräten umgehen – nun gut! Aber das alles sind doch nur leere Worte! Er soll uns doch sagen, was wir wirklich tun können! Keiner von uns weiß, womit jener Sogenannte das Mädchen Momo gegen uns ausrüsten wird! Wir werden einer uns völlig unbekannten Gefahr gegenüberstehen. Das ist doch das Problem, das es zu lösen gilt!“ Der Lärm im Saal steigerte sich zum Tumult.
Alles schrie durcheinander, manche hieben mit den Fäusten auf den Tisch ein, andere hatten die Hände vors Gesicht geschlagen, Panikstimmung hatte alle ergriffen.
Mühsam verschaffte sich ein sechster Redner Gehör. „Aber meine Herren“, sagte er immer wieder beschwichtigend, bis endlich Stille eintrat, „aber meine Herren, ich muß Sie doch bitten, kühle Vernunft zu bewahren. Das ist jetzt das Wichtigste. Nehmen wir ruhig einmal an, das Mädchen Momo kommt – wie auch immer ausgerüstet - von jenem Sogenannten zurück, so brauchen wir uns doch überhaupt nicht persönlich zum Kampf stellen. Wir selbst sind zu einer solchen Begegnung nicht besonders gut geeignet - wie uns ja das betrübliche Geschick unseres inzwischen aufgelösten Agenten-BLW/553/ c so eindringlich vor Augen führt. Aber das ist ja auch gar nicht nötig. Wir haben doch genügend Helfershelfer unter den Menschen! Wenn wir diese in unauffälliger und geschickter Weise einsetzen, meine Herren, dann können wir das Mädchen Momo und die mit ihm verbundene Gefahr aus der Welt schaffen, ohne selbst in Erscheinung zu treten. Ein solches Vorgehen wäre sparsam, es wäre für uns gefahrlos, und es wäre zweifellos wirksam.“
Ein Aufatmen ging durch die Menge der Vorstandsmitglieder. Dieser Vorschlag leuchtete ihnen allen ein. Wahrscheinlich wäre er sofort angenommen worden, wenn sich nicht am oberen Ende des Tisches ein siebenter Redner zu Wort gemeldet hätte.
„Meine Herren“, begann er, „wir denken nur immerfort darüber nach, wie wir das Mädchen Momo loswerden können. Gestehen wir es nur, die Furcht treibt uns dazu. Aber Furcht ist ein schlechter Ratgeber, meine Herren. Mir scheint nämlich, wir lassen
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