Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Mona Lisa Overdrive

Mona Lisa Overdrive

Titel: Mona Lisa Overdrive Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: William Gibson
Vom Netzwerk:
Vibrieren des
    Überschallflugzeuges. Sie erinnerte sich an den großen, niedrigen Wagen, der in der
    bogenförmigen Straße gewartet hatte. Strahler an Swains Fassaden gingen an, als sie mit Sally auf den Gehsteig kam. Tick schaute mit verschwitztem Gesicht aus den Autofenstern. Sally riß eine Tür auf und schob sie hinein. Tick fluchte leise vor sich hin, während der Wagen beschleunigte; die Reifen beschwerten sich quietschend, als er zu scharf in die Kensington Park Royad einbog. Sally sagte ihm, langsamer zu machen, den Wagen fahren zu lassen.
    Und dort im Auto fiel ihr ein, daß sie das Maas-Neotek-Gerät wieder an sein Versteck hinter der Marmorbüste gelegt hatte. Colin, der aus einem alten Fuchsjagd-Druck hätte stammen können und dessen Ellbogen abgetragen waren wie Petals Slipper, blieb zurück als das, was er war: ein Gespenst.
    »Vierzig Minuten«, sagte Sally jetzt vom Platz daneben. »Gut, daß du'n bißchen geschlafen hast.
    Bald kriegen wir Frühstück. Weißt du noch den Namen auf deinem Paß? Prima. Und stell jetzt keine Fragen, bis ich einen Kaffee gehabt habe, okay?«
    Kumiko kannte das Sprawl aus tausend Stims; die Faszination an dem riesigen Ballungsgebiet aus zusammengewachsenen Städten war bezeichnend für Japans Pop-Kultur.
    Sie hatte sich vorher wenig vorstellen können unter England, als sie dort ankam; dunkle
    Erinnerungen an mehrere berühmte Bauwerke, verschwommene Eindrücke von einer
    Gesellschaft, die von der japanischen als schrullig und rückständig betrachtet wurde. (In den Geschichten der Mutter stellte die Prinzessin-Ballerina fest, daß es sich die Engländer, gleichwohl sie sie bewunderten, nicht leisten konnten, für ihr Tanzen zu bezahlen.) London hatte bisher ihren Erwartungen nicht entsprochen mit seiner Energie, seinem offenkundigen Wohlstand, dem Ginza-Getümmel in seinen großen Einkaufsstraßen.
    Das Sprawl war ihr ein Begriff, aber schon nach wenigen Stunden Aufenthalt waren ihre
    Vorstellungen größtenteils erschüttert.
    Während sie neben Sally in der Schlange der Mitreisenden wartete in einer großen, leeren
    Zollabfertigungshalle — deren Deckenpfeiler sich verloren in der Dunkelheit, die in Abständen nur unterbrochen wurde von Lampenglocken, um die, obwohl es Winter war, Scharen von Insekten schwirrten, als hätte das Gebäude ein eigenes bescheidenes Mikroklima — , war es das Sprawl aus dem Stim, das sie sich ausmalte, die sinnlich-elektronische Kulisse für das Leben von Angela Mitchell und Robin Lanier, das im Schnellvorlauf abging.
    Durch den Zoll — was trotz des endlosen Schlangestehens nur daraus bestand, den Paß durch einen schmuddeligen Metallschlitz zu führen — und hinaus durch eine stark frequentierte Betonschneise, wo sich führerlose Gepäckwagen träge durch eine Menschenmenge wühlten, die ausströmte, um einen fahrbaren Untersatz zu ergattern.
    Jemand nahm ihren Koffer. Langte hin und nahm ihn ihr dermaßen lässig, selbstverständlich ab, was darauf hindeutete, daß er dazu bestimmt sei, daß er ein solches Amt bekleide und eine gewohnte Pflicht verrichte wie die junge Dame, die einem in Tokioter Kaufhäusern mit einer Verbeugung an der Tür begrüßt. Und Sally gab ihm einen Tritt. Gab ihm einen Tritt in die Kniekehle, wobei sie geschmeidig herumwirbelte wie die Thai-Boxerinnen in Swains
    Billardzimmer und sich den Koffer griff, bevor der Hinterkopf mit einem hörbaren Knacksen auf dem fleckigen Betonboden aufschlug.
    Schon zerrte Sally sie weiter, die Menge verschluckte den Niedergestreckten, und die jähe, lässige Gewalttat hätte ein Traum sein können, außer daß Sally zum ersten Mal lächelte seit dem Aufbruch von London.
    Kumiko, die nun jegliche Orientierung verloren hatte, sah zu, wie Sally die verfügbaren Gefährte musterte, rasch einen uniformierten Ordner bestach, drei andere potentielle Fahrgäste einschüchterte. Sie ließ sich in ein verschandeltes, wuchtiges Hovercraft schubsen, das gelb-schwarz quergestreift war. Die Fahrgastkabine war kahl und sah unerhört komfortabel aus. Der Fahrer, falls es einen solchen gab, saß unsichtbar hinter einer zerkratzten Plastikschutzwand. Wo die Wand am Dach anschloß, lugte das Rohr einer Videokamera hervor. Jemand hatte dort eine Figur hingekritzelt, einen männlichen Torso mit der Kamera als Phallus. Als Sally einstieg und die Tür hinter sich zuschmetterte, kam aus einem Lautsprecher ein knacksender Kauderwelsch, den Kumiko für einen englischen Dialekt

Weitere Kostenlose Bücher