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Mond der Unsterblichkeit

Mond der Unsterblichkeit

Titel: Mond der Unsterblichkeit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Elke Meyer
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gesagt.“ Beth grinste. „Bist du auch im letzten Jahr?“
    „Ja“, antwortete Amber knapp, und suchte den Stundenplan der Vo r lesungen ab.
    Hin und wieder notierte sie auf ihrem Block einige wissenswerte D e tails. Beth wich nicht von ihrer Seite und plapperte munter drauf los. Sie berichtete von allem, was sie als wissenswert b e trachtete, über Studenten, Freundschaften und Skandale an der Uni. Ab und zu warf Amber ein „Hm, hm“ oder ein „Ach ja“ ein und hoffte, Beth würde es aufgeben, ihr mehr zu erzählen. Doch ihr Red e fluss war nicht zu sto p pen. Amber stöhnte innerlich auf. Das konnte ja noch heiter werden mit dieser Klatschbase. In der Zwischenzeit füllten sich die Flure und Eingangshalle mit St u denten, die sich schnatternd gruppierten.
    „Ich werde zuerst den Dramatikkurs besuchen, zu dem ich mich gerade eing e tragen habe“, wandte Amber sich an Beth.
    „Ach, du liebe Güte. Wie kann man das nur freiwillig wählen? Ich werde dich ein Stück begleiten. Bin eh auf dem Weg zur Fechthalle, die gleich nebenan is.“
    Ehe Amber antworten konnte, hatte Beth sie erneut untergehakt, und bug sierte sie geschickt durch die Menge der Kommilitonen zu einem weiteren Ko r ridor. Pünktlich, zum Beginn der Vorlesungen ertö n te der Neun-Uhr-Gong, und die Studenten stoben wie Ameisen in verschiedene Richtungen d a von. Amber und Beth gingen einen langen Gang entlang, der am Ende nach rechts a b bog. Eine Schwarzhaarige stand in der Ecke und sah ihnen mit trauriger Miene hi n terher. Ihr Haar war so dünn, dass an einigen Stellen ihre Kopfhaut durchleuc h tete. Keiner der anderen Schüler schenkte ihr Beachtung.
    „Wer ist das?“, flüsterte Amber Beth zu.
    „Das ist die verrückte Sally. Ihre beste Freundin ist im Frühjahr mit nem Kerl durchgebrannt. Aber Sally behauptet, dass was anderes g e schehen wäre, etwas, das die Freundin in ein Monster verwa n delt hat. Sie war deshalb schon ein paar Mal in psychiatrischer Behandlung, hat wohl nix gebracht. Die is völlig durchg e knallt. Am besten, du b e achtest sie gar nicht.“
    Furcht, Traurigkeit und Einsamkeit zugleich las Amber in den dunklen Augen Sallys, die unter schweren Lidern ruhten. Sie konnte fühlen, wie sehr Sally litt, wie Furcht und Einsamkeit sie beherrschten. Amber lächelte der schwarzhaarigen, jungen Frau zu. Sallys Augenlider begannen zu flattern, und die Mundwinkel zogen sich nach unten, als wolle sie losheulen. Dann machte sie auf dem Absatz kehrt, und rannte den Flur entlang. Beth schüttelte den Kopf.
    „Hab doch gleich gesagt, die ist durchgeknallt.“
    „Ich glaube, sie hat nur vor irgendwas panische Angst. Und sie fühlt sich ei n sam.“
    „Ach, Quatsch, du glaubst doch wohl nicht an so’ nen Müll, dass Me n schen sich in Monster verwandeln können?“ Beth lachte schrill.
    „Meistens steckt dahinter ein schreckliches Erlebnis.“
    Amber e r zählte ihr von dem Fall einer ehemaligen Kommilitonin, die als Kind ein Missbrauchserlebnis hatte, und nicht in ihrem Zimmer schlafen wollte, weil sie dort Monster sah. Beth hörte ihr gar nicht richtig zu, sondern starrte gerad e aus. Ihre Wangen waren leicht gerötet.
    „So, da drüben sind die Arbeitsräume des Literaturbereiches.“ Beth deutete auf eine Reihe gleich aussehender Türen. „Ich gehe jetzt in die Fechthalle“, flötete sie.
    Dann knöpfte sie den oberen Knopf ihrer gelben Bluse auf, und schob den ohn e hin schon knappen Jeansrock weiter nach oben. Schließlich verschwand sie hinter einer breiten Stahltür. Ve r wundert und amüsiert zugleich blieb Amber stehen, und beobachtete das illustre Treiben der Studentinnen, bevor sie die Fechthalle betraten. Rasch wurden Lippen- und Lidstrich nachgezogen, um schließlich mit wiegenden Schritten die Halle zu betreten. Amber fragte sich in diesem Moment, weshalb die Studentinnen keine Fechtkleidung trugen. Ihre Ne u gier war geweckt, Dramatik für den Augenblick vergessen.
    Als zwei weitere Kommilitonen die Fechthalle betraten, schlüpfte Amber hi n ter ihnen her. Drinnen war es mucksmäuschenstill, und die Zuschauerreihen dunkel. Alle Augenpaare waren nach vorn auf die b e leuchtete Planche gerichtet, auf der zwei Männer g e geneinander kämpften. Eine tiefe, samtige Männerstimme rief ihnen B e fehle zu. Die Stimme zog Amber sofort in den Bann. Sie gehörte dem Trainer, der irgendwo vorne an der Planche saß, und von den Zuschauern ve r deckt wurde, die bei jedem seiner Vorschläge und Hinweise applaudierten.

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