Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Mond der Unsterblichkeit

Mond der Unsterblichkeit

Titel: Mond der Unsterblichkeit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Elke Meyer
Vom Netzwerk:
nehmen.“
    Beth wich einen Schritt zurück, was Amber zufrieden zur Kenntnis nahm. Der Name William Macfarlane beeindruckte die Menschen in Gealach selbst noch nach Hunderten von Jahren.
    „Du meinst … du meinst, er …“, flüsterte Beth.
    „Er ist zurückgekommen, um an den Nachfahren der Schuldigen Ve r geltung zu üben. Er wird nicht eher ruhen, bis er alle getötet hat. Dann trinkt er das Blut seiner Feinde.“
    Amber legte Theatralik in ihre Worte und unterstrich die Sätze mit Gesten, so wie sie es im Schauspielunte r richt gelernt hatte. Das blieb bei Beth nicht ohne Wirkung, denn sie erblasste und wich erneut zurück. Zum ersten Mal hatte es ihr die Spr a che verschlagen.
    „Ich würde es vermeiden, in den Nächten nach draußen zu gehen“, fügte A m ber flüsternd hinzu. Dann drehte sie sich um und ließ Beth stehen.
    Gut gemacht , sagte die Stimme in ihr.
    In der Aula war es kühl und still, was Amber als angenehm em p fand. Hinter ihrer Stirn flammte der Schmerz erneut auf. Sie fühlte sich, als hätte sie einen Kater.
    Was war nur in sie gefahren, dass sie sich derart bösartig Beth gegenüber ve r hielt? Dabei hatte sie deutlich deren Angst gespürt, als sie William Macfarlane erwähnte. Amber zwang sich, tief ein- und auszuatmen. Es war nicht richtig gewesen, Beth so in die Enge zu treiben. Ein heftiger Schmerz im Arm ließ A m ber zusammenzucken. Ihr Blut schoss heiß durch die Adern und sammelte sich an der Stelle, wo sich der schwarze Fleck befand. Ihr Herz begann wie verrückt zu rasen. Gleichzeitig b e gann sich alles um sie zu drehen. Ihre Hände suchten nach Halt und u m klammerten rechtzeitig die Heizungsrohre. Sie legte ihre kalte Hand gegen die Stirn.
    „Entspanne dich“, sagte sie mehrmals vor sich hin. Es half. Lan g sam sammelte sie sich wieder. Du hast dich nicht unter Kontrolle, Amber Stern. Reiß dich z u sammen. Diese Stimme in dir lässt dich Dinge tun, die du eigentlich nicht willst.
    Eilige Schritte erklangen auf der Treppe neben ihr.
    „Amber? Du bist ja doch gekommen!“ Aidan stand lächelnd vor ihr.
    „Du bist ja ganz bleich. Komm setz dich.“ Er umfasste ihren Ellbogen und wollte sie zu einer der Bänke ziehen, die in der Nähe der Treppe standen.
    Doch ehe er sie dorthin führen konnte, sank sie an seine Brust. Sie fühlte sich ausgelaugt, und in ihrem Kopf wirbelten die Eindrücke der letzten Tage durche i nander.
    „Ich fahre dich jetzt besser nach Hause. Da kannst du dich ausr u hen.“
    Sie nickte schwach. Fürsorglich legte er ihr den Arm um die Schultern. Mit w a ckeligen Knien ging sie langsam neben ihm her.
    Komm zu mir zurück, komm zu mir zurück.
    Da war wieder diese Stimme, die verlockend klang. Alles in ihr ve r spürte nur den Wunsch, ihr nahe zu sein.
    „Ja, ich komme zurück“, flüsterte sie.

30.
     
    A mber legte den Telefonhörer auf. Zum Glück ging es Mom bei Tante Georgia gut, und sie befand sich vorerst in Sicherheit. Aber für wie la n ge, wenn es nicht gelang, das Schattentor zu schließen und Rev e nant in seine Welt zu verbannen?
    Als Amber das Telefonbuch zuklappte, begann sich alles um sie zu drehen. Das Schwindelgefühl vom Morgen in der Universität kehrte zurück, noch stärker als zuvor. Vor ihren Augen zuckten grelle Blitze und verwischten jegliche Ko n turen zu einer grauen Wand. Ihre Augen tränten. Sie versuchte, den wässrigen Film wegzublinzeln. Vergeblich. Blind stüt z te sie sich mit den Händen auf die Kommode. Der Schmerz in ihrem Arm schien sich durch ihre Adern zu fressen. Ihre Knie gaben nach, weil sie glaubte, auf einer rotierenden Platte zu stehen. Ihre schweißnassen Hände glitten von der Kommode ab. Verzweifelt ve r suchte sie, Halt zu finden. Dann stürzte sie zu Boden. Einen Moment lang blieb sie b e nommen liegen.
    Da war sie wieder die Stimme, die in ihrem Kopf echote.
    Amber hielt sich die Ohren zu, doch die Stimme ließ sich nicht aus ihrem Kopf vertreiben. Bilder entstanden vor ihren Augen, von einer Landschaft in ewiger Dunkelheit, von Kreaturen, die sich gierig auf ihre Opfer stürzten, um sich von deren Blut, Fleisch und Seelen zu ernähren. Das Bild wechselte zu einer paradiesischen Landschaft. Inmitten eines blütenreichen Gartens stand er, mit einem Lächeln auf den Lippen. Sein blondes Haar fiel ihm auf die Schultern. Er trug über einem Leinenkittel einen Brat, eine Art Tunika, von einer kunstvollen Fibel zusamme n gehalten. Eine faszinierende Aura ging von ihm aus, wie in ihren Träumen. Er

Weitere Kostenlose Bücher