Mond der verlorenen Seelen
schreien, wenn sie an Aidan herumnörgelte. Aber sie hätte es nicht ertragen. Wo war nur ihre starke Mutter geblieben? Sie wollte sie endlich wiederhaben.
So konnte das nicht mehr weitergehen. Es belastete sie alle. Wenn sie und Kevin es nicht schafften, Mom aus ihren Depressionen zu reißen, konnte vielleicht Tante Georgia helfen. Mit ihrem Humor und Unternehmungsgeist, so hoffte sie, würde sie Mom von ihren trüben Gedanken ablenken. Gleich morgen würde sie die Tante anrufen, nachdem sie etwas über Beths Verbleib erfahren hatte.
Als Amber einen Luftzug hinter sich spürte, zuckte sie zusammen. Es war Aidan, der sich ins Zimmer transloziert hatte. An diese Art seines Auftauchens gewöhnte sie sich nur schwer.
Erleichtert warf sie sich in seine Arme, umschlang seinen Nacken und sah zu ihm auf. „Weißt du, welche Angst ich ausgestanden habe? Wo bist du so lange gewesen? Und was ist mit Sally?“ Dunkle Ringe lagen unter seinen Augen und über seine linke Augenbraue zog sich eine Wunde. Das Blut war bereits getrocknet. Amber streckte ihre Hand aus und betastete seine Stirn. „Mein Gott, du bist verletzt. Was ist geschehen?“
„Nichts Tragisches. In einer Stunde ist die Platzwunde verschwunden.“
„Warum verschweigst du mir immer alles? Hast du so wenig Vertrauen? Ich bin nicht das zarte Püppchen, für das ihr mich anscheinend alle haltet.“
Er lupfte mit dem Finger über die Wunde, als wolle er sich vergewissern, dass sie noch da war. „Nein, das bist du nicht.“
„Ist das alles, was du mir zu sagen hast?“
Es machte sie wahnsinnig, jedes Wort aus ihm herauszuquetschen. Aidan reagierte auf ihren Wutausbruch gelassen. Er stützte seinen Ellbogen gegen die Wand und betrachtete sie eine Weile nachdenklich.
„Ich habe versucht, den Dämon von euch abzulenken. Er ist mir gefolgt. Aber dann kam Rana dazwischen. Er hat sie getötet. Erspar mir die Einzelheiten.“
Amber fühlte sich miserabel. Der Albtraum schien kein Ende zu nehmen. Noch vor Kurzem hatte sie mit Sally geredet und jetzt war sie tot. Das tragische Ende Sallys machte sie fassungslos, auch wenn sie sich nur oberflächlich gekannt hatten. Aber ihre Wege hatten sich ständig gekreuzt.
„Ich konnte ihr nicht helfen. Als ich sie fand, war sie schon tot und der Dämon fort“, sagte er bitter.
„Das Schicksal hat für heute ihren Tod bestimmt.“ Sie schlug die Hände vors Gesicht und zitterte. Aber sie war froh, dass Aidan es nicht war, der Sally getötet hatte. Aidans Miene blieb weiter düster.
„Dieser Dämon ist mehr als das. Diese ungeheure Kraft ...“ Aidans Blick ruhte auf ihr.
„Wie meinst du das?“ Amber erinnerte sich, dass auch sie etwas Ähnliches gespürt hatte.
„Als ich zu euch zurückgekommen bin, hat er mich in die Irre geführt. Wenn ich mich ihm näherte, ist er spurlos verschwunden. Weshalb führt er mich in die Irre und zieht sich dann zurück? Seltsam.“
Aidans Worte stimmten auch Amber nachdenklich. „Was denkst du, steckt dahinter?“
Er zuckte die Achseln. „Ich weiß nur eines, er ist brandgefährlich.“
Amber lehnte sich an Aidans Brust und schloss die Augen. Sie fürchtete sich, denn sie spürte das Gleiche. Ihre Augen brannten, aber seit Dads Tod konnte sie nicht mehr weinen. Eine Weile standen sie eng umschlungen und schweigend da. Aidan barg sein Gesicht in ihrem offenen Haar. Sein Atem streifte ihre Kehle. Ihre Hände wühlten sich in sein Haar, das sich wie Seide anfühlte und nach Ginster duftete. Er weckte in ihr die Sehnsucht aufs Neue, in seinen Armen Vergessen zu finden. Vergessen, was geschehen war, vergessen, was zwischen ihnen stand und vergessen, was sie noch erwartete. Wenigstens für eine Weile.
Sanft umfasste er ihr Gesicht und sah ihr in die Augen. In seinem Blick lag unverhülltes Begehren, das etwas Animalisches besaß. Die Konturen seines markanten Gesichts erschienen wie gemeißelt. Seine Haut glitzerte ein wenig. Er spitzte seine sinnlich vollen Lippen, die sie in den vergangenen Nächten mit Zärtlichkeit überschüttet hatten. Sie strich sanft darüber und fuhr schließlich über sein Kinngrübchen. Das weckte den Wunsch nach mehr. Sie wollte sehen, wie sich seine Augen vor Leidenschaft verdunkelten, und seine Hände überall auf ihrem Körper spüren.
„Küss mich endlich“, forderte sie. Aidan presste sie an sich und küsste sie ungestüm. Sein Mund forderte sie mit leichtem Druck auf, ihre Lippen zu öffnen und seiner Zunge Einlass zu gewähren. Ihn zu
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