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Mond-Elfe

Titel: Mond-Elfe Kostenlos Bücher Online Lesen
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sie nannte ihr Baby Lilie, weil sie so zart war wie die Lilie.
    ›Das wird sich noch zeigen‹, sprach Melpomene. ›Lilie wird die Blume, deren Namen sie trägt, niemals sehen. Kein Sterblicher darf so schön sein wie die Musen, ohne daß Unheil über ihn käme!‹
    Weide ging hinaus auf eine Blumenwiese in der Nähe des Musenbergs, wo ein Vogelschwarm sich mit Fliegen vergnügte, und in den Armen hielt sie Lilie, ihr Kind. ›Ach, ihr Musen‹, rief sie aus, und Tränen strömten ihr über die Wangen, ›nun habt ihr mir so ein wunderschönes Kind geschenkt, aber warum nur habt ihr es blind gemacht?‹ Da tat es den Musen leid, aber es gab nichts, was sie hätten tun können, denn was einmal geschehen war, konnten sie nicht ungeschehen machen.
    Lilie wuchs auf zu einem liebreizenden Mädchen, aber nie konnte sie eine Blüte sehen, noch irgend etwas anderes. Sie ging hinaus auf die Wiese und betastete die Blumen, auch die Blume, deren Namen sie trug, aber das war nicht gut, denn die Blumen überlebten es kaum, wenn man sie anfaßte. Und Lilie begann zu weinen.
    ›Warum weinst du?‹ fragte Weide sie.
    ›Ach Mutter, du hast mich gelehrt, Gut und Böse zu unterscheiden und mit dem zufrieden zu sein, was ich habe, aber wie kann ich mich über die Blumen freuen, von denen du so liebevoll sprichst, wenn meine Berührung sie verletzt?‹
    Das hörten die Blumen und wurden traurig. ›Sie hat uns so gern‹, sagten sie zueinander, ›und sie trägt den Namen einer der Unsrigen. Wir müssen einen Weg finden, wie sie sich an uns erfreuen kann, ohne uns zu verletzen.‹
    Sie besprachen sich untereinander und baten die Musen um Hilfe, und die Musen erinnerten sich, daß sie einen Fehler begangen hatten, und stimmten zu. Sie konnten Lilie nicht sehend machen, aber sie konnten den Blumen helfen, sich zu verändern. So gaben sie den Blumen die Macht, sich in Wohlgerüchen auszudrücken.
    Jede Blume nahm denjenigen Duft an, von dem sie fand, daß er sie am besten beschrieb. Einige Blumen, wie die Rosen, fanden sich außergewöhnlich schön und nahmen deshalb Düfte an, die köstlich waren. Andere dachten, sie seien häßlich, wie die Geranien, also nahmen sie unerfreuliche Gerüche an. Es spielte keine Rolle, ob sie wirklich schön oder häßlich waren, es kam nur darauf an, wie sie sich selbst sahen, und einige hatten eine ziemlich unrealistische Sicht. Manche waren dreist und hatten kräftige Gerüche, während andere schüchtern waren und nur leicht oder gar nicht dufteten, obwohl jemand, der sie betrachtete, hätte finden können, daß sie einen stärkeren Duft verdienten. So kam es, daß, wenn die Wohlgerüche auch nicht ganz gerecht verteilt sein mochten, sie immerhin dazu beitrugen, die Blumen zu bestimmen und diese voneinander zu unterscheiden.
    Und so geschah es auch, daß Lilie sich schließlich doch noch an den Blumen erfreuen und die Rose vom Gänseblümchen unterscheiden konnte, ohne sie zu berühren, und sie war glücklich, und die Blumen waren glücklich, und selbst Melpomene war weniger tragisch. Seit dieser Zeit haben Blumen unterschiedliche Düfte, so daß jedermann sie erkennen kann, sei es durchs Anschauen oder durch den Geruch.«
    Es entstand eine Stille, als Jenny ihre Geschichte beendet hatte. Dann sagte Gwenny: »Oh Jenny, ich wollte, ich könnte das sehen! Ich bin sicher, daß das der Grund dafür ist, daß Blumen duften, aber wenn ich doch nur Weide und Lilie sehen könnte…«
    »Ich glaube, das ließe sich machen«, sagte Che. »Falls Jenny für dich singen will.«
    »Oh! Nein, das kann ich nicht«, sagte Jenny verlegen.
    »Dann sing doch einfach für mich«, sagte er, »und Gwenny kann so tun, als wären wir gar nicht da.«
    Jenny verstand ihn sofort und fühlte, daß er recht hatte. Sie machte sich selbst Mut und sah ihn an, denn sie wußte, für ihn würde sie singen können. Sie wußte auch, daß er, obwohl er den Vorschlag für das Koboldmädchen gemacht hatte, es sich in Wirklichkeit selbst wünschte, denn er war noch immer ein Fohlen und ein Gefangener tief im Bergesinneren, und wie erwachsen er sich auch gab, in seinem Innersten fürchtete er sich.
    Sie summte vor sich hin, und ganz allmählich verblaßte der Raum. Dann fing sie an zu singen, und da war auf einmal die Blumenwiese mit dem Berg der Musen im Hintergrund, und mit Weide, die ihr Baby Lilie in den Armen hielt, während Tränen über ihr Gesicht liefen. Wie bei Godiva umgab ihr Haar sie wie ein weicher Umhang. Überhaupt sah sie

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