Mond-Elfe
Gemächer. »Gichtig ist verhindert, deswegen regele ich die Dinge jetzt vorübergehend.«
Drinnen befanden sich gemütliche Gemächer, mit Tapeten und Kissen und Tageslicht aus einem Schacht, der nach oben führte. Am Boden dieses Schachtes lag etwas Schotter und Staub, der sich noch nicht lange dort zu befinden schien, aber die Koboldfrau ignorierte es einfach.
Sie setzten sich auf die Kissen. »Ich habe Che Zentaur gefragt, ob er nicht der Gefährte meiner Tochter Gwendolyn werden möchte«, berichtete Godiva. »Er überdenkt noch seine Antwort. Solange er damit beschäftigt ist, ist es uns nicht möglich, der Belagerung ein Ende zu setzen, es sei denn, die Flügelungeheuer zögen sich zurück.«
»Aber Cheiron wird den ganzen Berg zerstören!« protestierte Electra. »Er wird es nicht zulassen, daß sein Sohn ein Gefangener bleibt!«
»Das ist das Risiko, das wir eingehen müssen«, antwortete die Frau gelassen. »Ich glaube aber nicht, daß es dazu kommen wird.«
»Ich sage dir doch, Cheiron…«
»Laß mich dir jemanden vorstellen. Dann kannst du Cheiron davon berichten«, unterbrach Godiva. Sie griff nach oben, um an einem Strang mit einem Quast zu ziehen. Irgendwo im Berg erklang ein Gong.
»Habt ihr etwa noch weitere Gefangene?« fragte Electra. Einen Vorteil hatte dieses Unternehmen: Es lenkte sie von ihren persönlichen Problemen ab.
»Nein.«
Nach kurzer Zeit klopfte es. »Tritt ein«, rief Godiva und erhob sich von ihrem Kissen.
Die Tür öffnete sich und ein Mann kroch herein. Nein, es handelte sich um eine Schlange. Nein, es war…
Electra blieb der Mund vor Erstaunen offen stehen. Es war ein Naga!
»Prinz Naldo, darf ich Euch Gloha Kobold und Electra, Prinz Dolphs Verlobte, vorstellen«, sagt Godiva. »Mädels, ich möchte euch mit dem Prinz Naldo Naga, Nadas Bruder, bekanntmachen.«
Electra war Prinz Naldo nie zuvor begegnet, aber sie erkannte die Ähnlichkeit mit Nada. Jetzt nahm er seine menschliche Gestalt an und machte eine kleine, förmliche Verbeugung. Er war atemberaubend schön. »Ich bin froh, euch nun doch noch kennenzulernen, Electra und Gloha. Ich habe schon viel von euch gehört, denn ich habe kürzlich mit eurem König Dor und mit Königin Irene am Berg Etamin gesprochen.«
Den beiden Mädchen hatte es die Sprache verschlagen. Das schien unmöglich zu sein; die Naga waren doch seit alters her Erzfeinde der Kobolde.
»Ich werde es erklären«, meinte Gloha. »Es gibt Bündnisse, die mehr als tausend Jahre zurückreichen, bis zu der Zeit, als der Krieg zwischen den Ungeheuern der Luft und den Ungeheuern der Erde noch jung war. Da wir einen Angriff der Luftungeheuer vorhersahen, beriefen wir uns auf ein solches Bündnis und riefen alle unsere Verbündeten zusammen. Kobolde und Naga haben zwar Streitigkeiten untereinander, aber diese werden durch das Bündnis beiseitegeschoben. Der Naga vom Berg Etamin ist hier, um uns in unseren Bemühungen zu unterstützen.«
Schließlich fand Electra die Sprache wieder. Sie war entsetzt. »Und die – die Drachen der Erde, und…«
»Und die Knochenbrecher«, nickte Godiva. Die Knochenbrecher waren furchterregende, unterirdisch lebende Ungeheuer. »Und die Elfen.«
»Das ist doch nicht möglich!« rief Electra aus. »Ich meine, sie…«
»Kommt mit mir.« Godiva führte sie aus ihrer Wohnung.
»Es ist leider wahr«, murmelte Naldo. »Wir können nicht sagen, daß wir über diese Entwicklung erfreut wären, aber wir sind dem Bündnis verpflichtet und müssen die Kobolde im Kampf gegen die Flügelungeheuer unterstützen. Die Elfen aus dieser Region sind in ähnlicher Weise gebunden.«
Wortlos folgte Electra der Koboldfrau zu einer Kammer, die sich weiter unten im Tunnel befand. Dieses Unternehmen hatte sich plötzlich zu etwas entwickelt, das ihre ärgsten Befürchtungen noch überstieg. Was würde Cheiron tun, wenn er das erführe?
Godiva öffnete die Tür. Hier sah es aus wie in einem Krankenzimmer, mit einem Bett und einer Kobold-Krankenschwester. Auf dem Bett lag ein Patient, schmal und bleich. Kein Kobold, kein Kind, sondern…
»Ein Elf!« rief Electra aus. »Aber sein Ulmenreich muß doch weit entfernt sein!«
»Es liegt hinter dem Koboldberg«, bestätigte Godiva. »Aber nicht weit in dem Sinne, wie wir über Entfernungen denken. Er zieht es vor zu liegen, weil er hier nur wenig Kraft hat, aber er ist bei guter Gesundheit.« Dann, als sie näherkamen, stellte Godiva sie einander vor: »Das ist Bud, von dem Stamm der
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