Mond-Elfe
Gwennys Ansicht nach der dämlichste Dämlack, der jemals gelebt hatte. Nun glaubte sie es selbst. Sie dachte daran, daß er Oberhaupt der Kobolde würde, falls Gwenny zurückstände. Gewöhnlicherweise bemühte sich Jenny, zu diesen Leuten freundlich zu sein, aber sie war in Eile, und dieses Exemplar war es wirklich nicht wert.
»Verschwinde, du Schlammhirn!« forderte sie und drückte sich an ihm vorbei.
»Oh, nein, das wirst du nicht, du Schmierschmutz!« schrie er und riß ihr die Brille von der Nase.
Augenblicklich konnte Jenny so gut wie nichts mehr erkennen. »Gib sie mir sofort zurück!« befahl sie ihm und grapschte hilflos in seine Richtung.
»Ätsche bätsche, du kriegst sie nicht!« kreischte er schadenfroh und blieb immer außerhalb ihrer Reichweite.
Jenny taumelte ihm nach, lief statt dessen aber gegen eine Wand. Sie schlürfte sich die Wange auf, was schrecklich schmerzte. Knurps gluckste glücklich. »Hey, dein Schnäuzelchen sieht schon viel besser aus, Milchgesicht! Willst du nicht die andere Seite genauso verschönern?«
Jenny war wütend und verletzt. Schlimmer noch, sie wußte, daß sie ihn nicht packen konnte, und ohne diese Brille konnte sie nicht sehen, wohin sie ging. Jetzt saß sie wirklich in der Patsche. Weinen konnte ihr jedoch noch weniger helfen, denn das würde diesen Satansbraten erst richtig glücklich machen.
»Was ist hier los?« fragte eine Stimme. Jenny erkannte sie. Es war Godiva! Wahrscheinlich war ihr Knurps gerade in der Nähe des Frauengemachs in die Arme gelaufen.
»Ach, gar nichts«, sagte Knurps, während seine Stimme einen weinerlichen Ton annahm. »Wir spielen doch bloß.«
»Du hast ihre Brille!« sagte Godiva streng. »Gib sie ihr auf der Stelle zurück!«
Es gab ein leichtes Knacken und Klirren, als würde etwas zerbrechen. »Hoppla, ist mir aus der Hand gerutscht!« sagte Knurps. »Hoppla, aus Versehen auch noch draufgetreten! Och, ich glaub’, sie ist kaputt!«
Er hatte doch tatsächlich ihre Brille mutwillig zerbrochen! Wie sollte sie jetzt weiterkommen? Welch ein Unglück!
»Dich werde ich mir noch vorknöpfen, Knurps«, sagte Godiva, und etwas in ihrer Stimme ließ Jenny zusammenfahren. Sie hörte, wie der kleine Balg davonlief – augenscheinlich hatte er diesen sanften Unterton auch herausgehört. »Komm mit mir, Jenny.«
Godivas Hand umfaßte Jennys Ellenbogen und leitete sie mit einer bestimmten Festigkeit. Auf einmal mußte sich Jenny keine Sorgen mehr darüber machen, wohin sie ging. Godiva wußte genau, wie sie ihr helfen konnte. Anscheinend hatte sie eine Menge Erfahrung mit Gwenny gewonnen.
Einen kurzen Augenblick später erreichten sie Godivas gemütliche Gemächer, und die Koboldfrau wusch Jennys Gesicht mit einem Schwamm. Es brannte etwas, aber Godivas beruhigend mütterliche Fürsorge tat ihr sehr gut. »Warum bist du zurückgekommen, Jenny?« fragte sie sanft.
Plötzlich erinnerte sich Jenny wieder an ihre eigentliche Aufgabe. »Die Zentaurin Chex läßt fragen, ob Gwenny zu ihr kommen kann, um bei ihr zu leben!« platzte sich unvermittelt heraus. »Sie… sie weiß… ich habe ihr nichts gesagt, aber…«
»Ich verstehe. Ich wußte, daß sie etwas in dieser Art im Sinn hat. Sie ist schließlich auch nur eine Mutter.«
»Wenn du Gwenny zu ihr gehen ließest, könnte Che weiterhin ihr Gefährte bleiben, und sie würden auch nichts verraten…«
»Meine Tochter hergeben?« fragte Godiva bestürzt, »aber sie muß doch einmal Häuptling werden, sonst…«
»Sonst wird es Knurps«, beendete Jenny den Satz und verzog dabei das Gesicht. »Chex will das ja auch gar nicht verhindern. Sie versteht das alles. Sie will sie sogar unterrichten. Ich meine, Gwenny kann auch etwas lernen, während die Zentauren Che unterrichten; und wenn es für sie Zeit wird, hierher zurückzukehren, um Häuptling zu werden, kann Che sie wieder begleiten. Die Zentauren wollen Che bei sich behalten. Es macht ihnen nichts aus, daß er Gwennys Gefährte ist, und das wäre eine Möglichkeit.«
»Das wäre eine Möglichkeit«, stimmte Godiva zu. »Sie wollen ihr Kind behalten, genau wie ich. Mein Kind kann sich bei ihnen in größerer Freiheit entwickeln, als ihr Kind es bei mir könnte. Schließlich sind sie Zentauren. Man kann ihnen vertrauen. Wahrscheinlich ist es so das Beste.«
»Dann wirst du es also zulassen?« fragte Jenny. »Du läßt sie beide gehen?«
»Ich werde es tun«, sagte Godiva.
»Oh! Ich danke dir vielmals!« rief Jenny freudig und nahm sie
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