Mond-Elfe
darauf bestehst, dann nimm von dem Gedanken Abschied, mich später noch einmal in meinen Gemächern des Schlosses aufsuchen zu dürfen.«
Die Prinzessin war durch die Ablehnung ihrer Mutter betrübt, aber sie dachte, daß sie nach ihrem Stelldichein mit ihrem Drachenprinzen sowieso kaum Gelegenheit hätte, noch einmal zum Schloß zurückzukehren.
Als der Tag der Verabredung kam, legte sie ihre besten Gewänder an. Sie trug ein Kleid, dessen Dekollete so offen und dessen Saum so hoch war, daß es den Drachen wenig Mühe kosten würde, ihre köstlichsten Teile zu erkennen und in diese zuerst zu beißen. Schließlich liebte sie ihn und wollte, daß er mit ihr zufrieden war. Sie bürstete ihre wundervollen, seidenen Locken und setzte ein Rubindiadem auf ihren Kopf, dessen Farbe das Blut verkörpern sollte, das sie für ihren Geliebten vergießen wollte. Sie tupfte sich etwas Parfüm von roten Rosen hinter die Ohrläppchen und in ihren Ausschnitt. Auch der Geruch sollte auf die Farbe des Blutes hinweisen. Sie dachte, daß sie für diese Angelegenheit alles in allem einen ansehnlichen Eindruck machte.
Sie machte sich zu Fuß auf den Weg, denn obwohl es eine ziemlich lange Strecke war, hatte ihr Vater sie darüber informiert, daß er nicht daran dachte, das Risiko einzugehen, ein gutes Pferd allzu sehr in die Nähe eines Drachen zu lassen. »Schließlich sind diese Kreaturen berüchtigt«, argumentierte er. »Wenn sie erst einmal Blut gekostet haben, sind sie fähig, alles, was sich in Sichtweite befindet, anzugreifen.« Sie mußte die Gültigkeit dieser Umsicht einräumen.
Zur rechten Zeit, wenn auch erschöpft und verstaubt, aber immer noch wunderschön, erreichte die Prinzessin das Steilufer. Der Drachenprinz war noch nicht eingetroffen, denn sie hatte reichlich Reisezeit veranschlagt und war ein paar Minuten vor dem verabredeten Zeitpunkt eingetroffen. So ruhte sie sich aus, puderte ihr Gesicht und wischte sich den Staub von den Pantoffeln, um so ansehnlich wie möglich zu sein. Sie wollte, daß ihr letzter Anblick für ihren Geliebten ein angenehmer sei.
Als sie sich vor dem Spiegel die Nase zurechtmachte, fiel ihr etwas ins Auge. Da war etwas seitlich von ihr, hinter der Böschung – etwas, das im morgendlichen Sonnenlicht aufblitzte. Sie nahm das Bild im Spiegel in näheren Augenschein, denn es wäre unschicklich gewesen, den Kopf zu drehen und direkt hinzuschauen, und sah, daß es der glänzende Helm eines Söldners war.
Seltsam, denn es schien keinen Anlaß für einen Aufmarsch von Söldnern in dieser Gegend zu geben. Sie benutzte ihren Spiegel, um noch mehr zu erblicken. Bald war sie sich sicher: Dort war ein ganzer Trupp von Söldnern mit Schwertern und Schildern. Das machte es nur noch geheimnisvoller. Was die wohl hier wollten?
Dann erschien der Drachen in der Ferne. Er glitt auf seinen Schwingen auf das Steilufer zu. Plötzlich kam die Prinzessin auf die Idee, es könnte ein von ihrem Vater geplanter Hinterhalt sein, um den Drachen zu erschlagen. Wie sie sich erinnerte, war dies genau die Art und Weise, wie sein verschlagener Verstand arbeitete. Es war durchaus möglich, daß die Königin ihn bestürmt hatte, etwas zu unternehmen. Obwohl die Prinzessin keine Ahnung davon hatte, welche Art von Ermunterung eine Frau einem Mann zukommen lassen konnte, damit er ihrem Willen folgte, so hatte sie doch schon bei Gelegenheit gesehen, wie ihr Vater nach einer Nacht mit der Königin seine Meinung geändert hatte. Sie hatte gehofft, eines Tages ermitteln zu können, wie solche Überredungen zustande kamen, aber diese Hoffnung schien im Moment etwas weltfremd zu sein. Auf jeden Fall sah es so aus, als ob der Drachenprinz sehr wahrscheinlich in Schwierigkeiten geraten würde, wenn er hier landen sollte.
Sie rannte vor bis zur äußersten Kante des Steilufers und winkte wie verrückt mit den Armen. »Oh, Drachenprinz!« schrie sie, obwohl es sich für eine Prinzessin nicht geziemte herumzuschreien. »Lande nicht! Das ist ein Hinterhalt!«
Der Drachenprinz hörte sie und schreckte zurück. Er flog eine Schleife über dem Landeplatz und war sich offensichtlich unsicher, wie er vorgehen sollte. Er würde seinen Ritus des Übergangs nicht vollenden können, wenn er nicht landete, andererseits hätte dies anscheinend wirklich unangenehme Folgen.
»Verflucht!« schimpfte der Anführer der Söldner. »Das Luder (man möge diesen Ausdruck entschuldigen) hat uns verraten! Auf uns fällt Luzifers Rache, wenn uns der Drache
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