Mond-Elfe
zu durchbrechen, und weil die Tür von außen verriegelt ist.« Ihre Hoffnung sank wieder, um mit einem unhörbaren Plumpser auf den Boden aufzuschlagen. Er hatte recht. Sie mußten auf einen Kobold warten, der die Tür öffnete, und dann würde wahrscheinlich schon der Morgen angebrochen sein.
Sie dachten eine Weile nach. »Wenn der nächste Kobold kommt«, sagte Che, »kannst du singen und mich vielleicht hinausleiten, da ich nichts aus eigenem Antrieb unternehmen werde. Wenn wir Glück haben, werden die anderen nicht darauf achten und wir können fliehen, bevor sie es bemerken.«
»Das ist einen Versuch wert«, stimmte Jenny zurückhaltend zu. Sie hatte auch nichts Besseres anzubieten.
Dann sang sie beide in den Schlaf. Sie hatten viel gelernt und sich selbst vor dem Haß und dem Gekochtwerden bewahrt. Alles, was sie jetzt tun konnten, war, sich auszuruhen.
Am Morgen wachten sie davon auf, daß der Riegel aufgestoßen wurde. Jenny wischte sich den Schlaf aus den Augen und versuchte sich zurechtzufinden. Wo war sie? Aber nur zu schnell erinnerte sie sich: Sie war in Schwierigkeiten.
Es war Grotesk selbst. »Wollt ihr beiden jetzt endlich essen?« fragte er und winkte dabei mit einem widerlichen, kalten Brocken Fleisch nach ihnen.
»Singe!« forderte Che.
»O nein, das wirst du nicht, Lausebengel!« befahl der Häuptling. Offensichtlich dachte er, daß sie ein Junge sei, und sie hatte nicht die Absicht, ihn darüber aufzuklären. Nein, er hatte sie früher ein Bauerntrampel genannt. Vielleicht war es ihm einfach egal. »Knebelt sie!«
Hoppla! Jenny versuchte zu singen, aber es war so schwer anzufangen, besonders als die Kobold heranstürmten und sie ergriffen. Bevor sie irgend etwas unternehmen konnte, hatten sie ihr einen dreckigen Fetzen vor das Gesicht gebunden, der ihren Mund verschloß.
»Als ich sah, daß du Zauberkräfte hast, wußte ich, daß es zu gefährlich war, dich gewähren zu lassen«, sagte Grotesk.
»Deshalb werdet ihr beiden jetzt essen oder ihr werdet rennen. Der Zentaur ißt als erster.«
Jenny wußte, daß Che das Fleisch nicht essen könnte. Sie würden um die Wette laufen müssen, und das Ergebnis spielte keine Rolle, weil die Kobolde sie sowieso kochen würden.
Sie konnte nicht singen, aber vielleicht konnte sie summen. Sie wußte nicht, ob das etwas bewirken würde, aber das war alles, was sie im Moment tun konnte, solange sie geknebelt war.
Sie summte, fing leise an und wurde dann lauter. Sie stellte sich die hübsche Szene mit der Prinzessin und den Blumen vor. Für sie war alles da, aber konnte sie es auch auf die anderen ausweiten?
Grotesk sah sich um. »Was ist das?« fragte er.
Unglücklicherweise war es keine Ablenkung, die er vernahm – es war Jennys Summen. Das bedeutete, daß er sie beachtete und deshalb aufmerksam blieb.
»Ha!« stieß der Häuptling hervor. »Die Elfe versucht zu singen. Nun, das werden wir unterbinden!« Er holte mit seiner riesigen knorrigen Faust aus.
Che sprang vor und riß Jennys Knebel herunter. Plötzlich sang sie – aber Grotesk konzentrierte sich auf sie und hieb mit seiner Faust nach ihrem Gesicht.
Jenny duckte sich, weswegen die Faust nutzlos über ihren Kopf hinwegsauste. Aber sofort tauchten die anderen Kobolde auf und packten ihre Arme. Sie rissen sie hoch, bis sie stand.
»Haltet sie fest«, sagte Grotesk grimmig. »Dieses Mal werde ich sie nicht verfehlen.« Und Jenny wußte, daß es so war. Sie öffnete den Mund und versuchte verzweifelt zu singen, aber ihr Hals war so zugeschnürt, daß sie nicht einmal einen Schrei herausquetschen konnte.
»Schaut euch das an!« rief ein Kobold und blickte zur Seite.
»Stör mich jetzt nicht«, fauchte der Häuptling. »Warte, bis ich dieses Elfengesicht eingeschlagen habe.«
»Aber sie ist…«, stieß der Kobold erstaunt hervor. Jetzt sahen auch die anderen hin, und ihre häßlichen Gesichter wurden immer länger.
»Ich habe dir gesagt…«, bellte Grotesk, wobei er schließlich auch in diese Richtung starrte.
Jenny nutzte ihre Chance. Sie preßte die Luft durch die Kehle und begann zu singen. Wenn sie die Kobolde während dieses Augenblicks der Ablenkung zu packen vermochte, konnten Che und sie vielleicht doch noch fliehen. Sie wußte, dies war ihre letzte Gelegenheit.
7
NADAS NOTLÜGE
Die beiden Mädchen faßten sich an den Händen und traten durch das riesige Guckloch des großen Kürbis. Nada führte, denn sie war schon vorher in dem Kürbis gewesen. Tatsächlich war auch
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