Mond über Manhattan
Bett zu. Er drückte auf den Abzug, hörte den Mann getroffen aufschreien, spannte das Gewehr und feuerte noch einmal. In der Höhle wurde es völlig still. Effing atmete den in der Luft schwebenden Geruch von Schießpulver ein, und plötzlich merkte er, daß er zitterte. Er taumelte so gut es ging nach draußen und fiel auf die Knie, und dann erbrach er sich.
Er schlief gleich dort vor dem Eingang der Höhle ein. Als er am Morgen erwachte, begann er sofort mit der Beseitigung der Leichen. Überrascht stellte er fest, daß er keinerlei Reue empfand, daß er die Männer, die er getötet hatte, ohne die geringsten Gewissensbisse ansehen konnte. Einen nach dem anderen schleppte er sie aus der Höhle und den rückwärtigen Hang hinunter, wo er sie neben dem Einsiedler unter der Pappel begrub. Am frühen Nachmittag war er mit der letzten Leiche fertig. Erschöpft von der Anstrengung, kehrte er in die Höhle zurück, um etwas zu essen, und gerade als er sich an den Tisch setzte und sich ein Glas von dem Whiskey der Gresham-Brüder eingießen wollte, entdeckte er unter dem Bett die Satteltaschen. Wie Effing es mir gegenüber ausdrückte, war dies der Augenblick, in dem sich alles wieder änderte, in dem sein Leben plötzlich in eine neue Richtung einschwenkte. Es waren insgesamt sechs große Satteltaschen, und als er den Inhalt der ersten auf den Tisch schüttete, wußte er, daß das Ende seiner Zeit in der Höhle gekommen war - einfach so, so jäh und grob, wie wenn ein Buch zugeknallt wird. Geld lag auf dem Tisch, und mit jeder weiteren Satteltasche, die er auskippte, wurde der Haufen größer. Als er sich schließlich ans Zählen machte, belief sich allein das Bargeld auf über zwanzigtausend Dollar. Unter all dem Geld fand er aber auch noch etliche Uhren, Armbänder und Halsketten, und in der letzten Tasche drei fest verschnürte Bündel Inhaberobligationen über insgesamt zehntausend Dollar, die auf eine Silbermine in Colorado, den Westinghouse- Versorgungsbetrieb, Ford Motors und dergleichen mehr lauteten.
Damals sei das eine unglaubliche Summe gewesen, sagte Effing, ein absolutes Vermögen. Wenn er richtig damit umging, würde das Geld bis an sein Lebensende reichen.
Die Rückgabe des gestohlenen Geldes sei natürlich nie in Frage gekommen, sagte er, ebensowenig wie die Möglichkeit, zu den Behörden zu gehen und von dem Vorgefallenen zu berichten. Nicht daß er fürchtete, demaskiert zu werden, wenn er seine Geschichte erzählte; er wollte das Geld einfach für sich behalten. Dieses Verlangen war so stark, daß er sich keinerlei Gedanken über sein Tun machte. Er nahm das Geld, einfach weil es da war, weil er irgendwie das Gefühl hatte, es gehöre bereits ihm, und damit hatte sich’s. Die Frage nach Recht oder Unrecht stellte sich gar nicht. Er hatte kaltblütig drei Männer getötet, und damit waren ihm solche spitzfindigen Überlegungen gar nicht mehr möglich. Im übrigen bezweifelte er, daß allzu viele Leute den Gresham-Brüdern nachtrauern würden. Sie waren verschwunden, und bald würde die Welt sich daran gewöhnen, daß sie nicht mehr da waren. Die Welt würde sich daran genauso gewöhnen, wie sie sich daran gewöhnt hatte, ohne Julian Barber auszukommen.
Den ganzen nächsten Tag bereitete er seinen Aufbruch vor. Er rückte die Möbel zurecht, wusch sämtliche Blutflecken ab, die er finden konnte, verstaute seine Notizbücher im Schrank. Es schmerzte ihn, daß er seine Bilder zurücklassen mußte, aber daran war nichts zu ändern, und so stapelte er sie ordentlich am Fußende des Betts und lehnte sie an die Wand. Für all das brauchte er nur ein paar Stunden, aber den Rest des Vormittags und den ganzen Nachmittag war er draußen in der heißen Sonne damit beschäftigt, Steine und Äste zu sammeln und den Zugang zu seiner Höhle zu versperren. Er bezweifelte, daß er jemals dorthin zurückkommen würde, wollte aber dennoch die Höhle keiner zufälligen Entdeckung preisgeben. Sie war sein privates Denkmal, das Grab seiner Vergangenheit, und künftig wollte er sich immer vorstellen können, daß sie noch genauso existierte, wie er sie verlassen hatte. So konnte sie ihm auch weiterhin als geistige Zuflucht dienen, auch wenn er sie nie wieder betreten würde.
In dieser Nacht schlief er im Freien, und am folgenden Morgen bereitete er sich auf seine Reise vor. Er packte die Satteltaschen, trug Essen und Wasser zusammen, schnallte alles auf die drei Pferde, die die Greshams zurückgelassen hatten. Dann ritt
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