Mondberge - Ein Afrika-Thriller
mit eingezogenem Kopf weitergehen musste. Und auch hier fand er alle paar Meter Hinweise auf die Anwesenheit von Berggorillas. Mal waren es feine Abdrücke der Hände und Füße auf dem feuchten Boden, dann ein abgebrochener Tropfstein, hin und wieder weitere Blutstropfen oder Fellspuren.
Er durchwanderte eine Reihe von unterschiedlich großen Höhlen. An manchen Stellen teilten sich die Gänge, sodass sich Georg für einen entscheiden musste. Aber die Entscheidung fiel ihm meist leicht, denn die Spuren am Boden wiesen ihm den Weg. Dennoch markierte er weiterhin die Gänge, aus denen er in neue Räume trat, um den Rückweg zu finden. Zwei Mal meinte er, vor sich etwas zu sehen, beschloss dann aber, sich nicht verunsichern zu lassen. Er war hier unten sicherlich allein.
Doch dann hörte er ein leises Grollen, das aus der Tiefe des Gesteins kam. Aus der Richtung, in die er sich vortastete. Georg blieb wie angewurzelt stehen und lauschte. Nichts mehr. Beständig tropfte Wasser zu Boden – ansonsten war es still. Er hörte seinen Atem, er spürte einen leichten Luftzug. Die Luft in diesem Tunnelsystem bewegte sich. Sollte er zurückgehen? Sollte er nicht lieber nach Hans suchen, statt seinem Forscherdrang nachzugeben? Georg atmete tief ein und aus, dann wusste er, dass er nicht mehr zurück konnte. Er wollte wissen, ob hier wirklich Berggorillas lebten und wohin die Spuren führten.
Da war das Geräusch wieder. Es kam vom Ende der Höhle. Ein grünliches Licht schimmerte aus der Richtung. Georg rieb sich die Augen. Ganz langsam ging er auf die Stelle zu. Die Stirnlampe flackerte. Etwas strich an seinem Kopf vorbei. Georg zuckte zusammen. Gab es hier Fledermäuse? Nicht so tief im Gebirge. In welche Richtung war er gegangen? Lief er im Kreis? Er setzte den Rucksack ab und suchte seinen Kompass. Als er mit der Lampe auf die Rose leuchtete, wich er erstaunt zurück. Die Nadel zuckte unablässig. Er pochte gegen das kleine Gerät, schüttelte es, ließ es ruhig liegen. Er drehte es in alle Richtungen hin und her, aber das Ergebnis blieb gleich: kontinuierlich zuckte die Nadel. Georg blickte ratlos auf den Kompass. Er wusste, dass Berge hin und wieder magnetische Felder bildeten, aber erlebt hatte er das noch nie. Gerade hier drin hätte er eine Orientierung gut gebrauchen können. Er steckte den Kompass in die Hosentasche und ging auf das Ende der Höhle zu, von dem das geheimnisvolle Leuchten ausging.
Das Licht wurde mit jedem Schritt stärker, das Grollen nahm ebenfalls zu. Nach einer Weile erreichte er eine Öffnung, durch den das Leuchten drang und die breit genug war, um sich hindurchzuzwängen. Wieder ein schmaler Gang, an dessen Ende das Leuchten noch intensiver wurde. Aus dem Grollen wurde ein kontinuierliches Dröhnen. Das Geräusch kam direkt aus dem nächsten Höhlenraum. Schritt für Schritt näherte er sich dem Ende des Durchgangs. Was er dort sah, sprengte alle seine bisherigen Vorstellungen.
Ein riesiger Raum öffnete sich vor ihm. Wie hoch die Höhle war, konnte er nicht erkennen. Auch die gesamte Ausdehnung konnte er lediglich erahnen. Tausende Tropfsteine hingen von den Decken herab, einige hatten sich mit ihren Gegenstücken auf dem Boden zu gewaltigen Säulen verbunden. Ein Großteil des Bodens war von Wasser bedeckt, bildete einen See, aus dem ebenfalls zahllose Säulen aufragten. Doch das faszinierendste an diesem Raum war das grüne Leuchten. Die Oberfläche des Wassers erstrahlte unter ständigem Flackern, als wären auf dem Grund des Sees Lampen angebracht, die indirektes Licht aussandten. Das Wasser war in ständiger Bewegung, und nach kurzer Zeit bemerkte Georg den Zusammenhang zwischen dieser Bewegung und dem Strahlen: War die Oberfläche in Unruhe, dann begann sie zu leuchten, beruhigte sie sich, dann ließ das Leuchten nach.
Georg kannte dieses Phänomen, doch hatte er es bislang nur in Meerwasser gesehen. Darin lebende Einzeller, Dinoflagellaten, sorgten im Salzwasser hin und wieder für ein solches Erstrahlen des Wassers, wenn es in Bewegung geriet – das Meeresleuchten. Tief im Berg war die Existenz solcher Lebewesen schier unvorstellbar. Und doch waren sie offensichtlich da und stellten infrage, was er als gesicherte Erkenntnis ansah. Er war am Beginn einer Expedition ins Ungewisse. Er befand sich auf einer Art Empore, etwa acht Meter über dem Wasser. Vor ihm erstreckte sich der riesige Raum im schummrigen grünen Licht. Die Tropfsteine an den Decken und auf dem Boden warfen
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