Mondberge - Ein Afrika-Thriller
Kassava zu stampfen.
»Was möchtest du also wissen?«
»Wie kam es genau, dass unsere Vorfahren in die Berge gezogen sind?«
»Die Regierung von Uganda wollte die Kontrolle über die vielen Stämme und Clans in ihrem Land behalten. Daher haben sie einigen Stämmen erlaubt, ihre Könige wieder einzusetzen. Aber den Bayira haben sie das nicht zugebilligt. Das Königreich der Tooro übernahm die Herrschaft über unsere Clans. Aber der König von Tooro war nicht eigenständig. Dafür, dass er wieder in sein Amt hineinkam, musste er sich der Regierung unterordnen. Und zwar mehr als wir für richtig hielten. Das war zu viel für unser stolzes Volk. Deshalb haben die Bayira begonnen, gegen den König der Tooro und gegen die Regierung in Kampala zu kämpfen.«
»Die Ruwenzururu-Bewegung?«
Mbusa nickte. »Diese Bewegung hat sich aufgeteilt. Die einen wollten den bewaffneten Kampf gegen die militärische Unterdrückung weiterführen, die anderen strebten lediglich ein ruhiges Leben unter eigener Verantwortung an.«
»Unsere Vorfahren haben gekämpft?«
»Nein, unser Clan hat nie einen Krieg geführt.«
»Wie kommt das?«
»Du weißt, dass wir ein Totem haben, nicht wahr?«
»Ja, die Balindi.«
»Genau. Jeder Clan hat ein anderes Totem. Die Abathangi den Hund, die Ababinga den Pavian und die Abahambu die Halbmondtaube. Die Totems sind so gewählt, dass sie zur Lebensweise des Clans passen. Und zugleich erinnern die Totems daran, das Leben auch in Zukunft in der Tradition des Clans zu leben. Die Balindi sind friedlich. Sie würden niemals ein anderes Tier angreifen, es sei denn, sie werden selber angegriffen. Ein Leopard aber zum Beispiel muss andere Tiere angreifen, muss sie töten, denn er lebt von ihrem Fleisch. Und so kommt es, dass fast alle Clans seit jeher mit einem anderen auf Kriegsfuß stehen. Das ist bei uns anders: Wir sind immer gut mit allen ausgekommen. Wir sind wie die Balindi. Wir haben nie einen Krieg geführt, wenn Gefahr auf uns zukam: Wir haben einen Ort aufgesucht, an dem wir nicht mit der Gefahr konfrontiert waren.«
»Ist das nicht feige?«
»Das ist sogar sehr weise. Denn so verlieren die anderen schnell das Interesse daran, uns anzugreifen.«
»Dann haben sich unsere Vorfahren also in die Berge zurückgezogen, als es gefährlich wurde?«
»Viele Clans sind damals in den Ruwenzori gezogen, haben kleine Dörfer errichtet und unabhängig gelebt. Doch die meisten von ihnen haben es nicht lange ausgehalten oder wurden wieder vertrieben, manche sogar getötet. Noch heute kämpfen viele Männer und Frauen unseres Volkes im Norden des Landes gegen die Regierung. Nur die Familien unseres Clans haben sich diesen Auseinandersetzungen niemals angeschlossen. Wir, die Abathatha, kämpfen niemals. Unsere Großväter sind damals immer tiefer in die Berge vorgedrungen, bis sie dieses Tal fanden. Seitdem leben wir hier in Frieden mit der Natur.«
»Aber jetzt stimmt etwas nicht mehr?«
»Die Zeichen für Gefahr haben zugenommen. Und wir können das Tal nicht verlassen, denn tiefer als jetzt können wir nicht in die Berge vordringen.«
»Das bedeutet also, dass wir irgendwann einmal zurückkehren – nach draußen?«
»Die Alten glauben nicht daran. Diejenigen, die die Welt dort draußen noch erlebt haben, haben Scheußliches berichtet. Wir würden dort zugrunde gehen. Die Menschen kämpfen jeden Tag. Sie haben den Glauben an ihre Ahnen verloren, sie stehlen und betrügen, sie töten andere Menschen und sie kämpfen ununterbrochen ums Überleben.«
»Aber auch hier im Tal sind Menschen getötet worden.«
Mbusa machte eine Pause und strich sich über den Bart.
»Ich habe dir schon erzählt, dass dir mein Bruder sehr ähnlich war. Er hat viel zu viele Fragen gestellt. Er ist offiziell an einer entzündeten Wunde gestorben. Das kommt hin und wieder vor. Aber wir haben auch gute Heilmittel, die das Schlimmste vermeiden können. Bei ihm haben sie nicht gewirkt. Und ich hatte in den Tagen, als er auf dem Krankenlager lag, den Eindruck, dass er eigentlich an etwas anderem starb als an der Wunde. Lange habe ich geglaubt, die Geister hätten ihn dafür gestraft, dass er das Tal verlassen wollte. Doch dann habe ich irgendwann verstanden, dass die Geister nicht schuld an seinem Tod waren.«
»Wer war denn dann schuld?«
»Ich weiß es nicht genau.«
»Und was ist mit dem Weißen Mann? Du glaubst, dass auch er getötet wurde, nicht wahr?«
»Ich bin davon überzeugt.«
»Also wurden hier im Tal zwei
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