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Mondberge - Ein Afrika-Thriller

Mondberge - Ein Afrika-Thriller

Titel: Mondberge - Ein Afrika-Thriller Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephan Martin Meyer , Andreas Klotz
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durchnässt. Zumindest war es hier nicht so kalt wie auf der anderen Seite der Berge. Er versuchte zu schätzen, wie spät es war, aber er fand keine hinreichenden Anhaltspunkte. Wie lange war er bewusstlos gewesen? Minuten, Stunden – oder Tage?
    Trotz Schmerzen richtete sich Georg auf. Der See war groß. Auf seiner Uferseite erstreckte sich ein schmaler, beinahe weißer Sandstrand. Weiter entfernt wuchsen an Mangroven erinnernde Pflanzen. Eine grüne Wand aus Bäumen breitete sich dahinter aus, so weit er sehen konnte. Auf der anderen Seeseite reichte der Bewuchs bis ans Wasser heran, war auch dort noch in Ufernähe ein undurchdringlicher Urwald, hinter dem sich die typischen grau-schwarzen Felsen des Ruwenzori erhoben. Der Himmel war bedeckt. Und das erstaunlichste war: Die Luft war angenehm warm.
    Noch immer haftete Georgs Blick an den Wolken, als etwas geschah, das ihm den Atem stocken ließ. Für einen kurzen Moment rissen die Wolken auf und gaben zwei Bergspitzen oberhalb des Wasserfalls frei. Sofort erinnerte sich Georg an die uralten Beschreibungen der Nilquellen von Herodot und Ptolemäus. Herodot hatte diese Quelle im fünften Jahrhundert vor Christus an einem See zwischen zwei Berggipfeln verortet. Das, was Georg für eine Sekunde gesehen hatte, entsprach genau dieser Beschreibung. Ptolemäus hatte vermutet, dass die Quelle des Nils in den von ihm montes lunae genannten Bergen lag. Nach dessen Karte aus dem zweiten nachchristlichen Jahrhundert wurde der Ruwenzori ja noch heute als Mondberge bezeichnet. Der Forscher wagte den Gedanken kaum zu Ende zu denken – hatte er die Quelle des Nils gefunden?
    Georg versuchte, sich zu orientieren, aber da sich die Wolken wieder zusammenzogen, konnte er noch nicht einmal die Himmelsrichtungen ausmachen. In der Hoffnung, irgendeinen Anhaltspunkt zu finden, blickte er suchend in den Urwald, der nur ein paar Meter von ihm entfernt begann, und erschrak. Dort saß ein riesiger Berggorilla. Der Silberrücken hockte zwischen den Bäumen, nur sechs Meter vor Georg entfernt, von einem dichten Schwarm Fliegen umgeben und beobachtete ihn genau.
    Harald und Stefan hatten also doch Recht gehabt. Georg konnte keine andere Erklärung mehr vorbringen – hier saß der eindeutige Beweis direkt vor ihm. Im Ruwenzori lebten Berggorillas. Zumindest dieser eine. Da Georg die Tiere im Bwindi-Nationalpark genau kannte, war ihm sofort klar, dass es sich nicht um ein Mitglied aus einer seiner Gruppen handelte. Diesen hier hatte er noch nie gesehen. Und nicht nur das: Der Silberrücken hatte ungewöhnlich kurze Haare, und sein Fell war nicht so dicht, wie Georg es von den Berggorillas rund um seine Forschungsstation kannte. Die Ähnlichkeit zu den Berggorillas im Süden Ugandas und in Ruanda war offensichtlich, zugleich unterschied er sich von jenen Tieren. Georg war sich von einer Sekunde auf die andere sicher, eine neue Unterart entdeckt zu haben: den Ruwenzori-Berggorilla.
    Doch was nützte ihm das jetzt? Er war in das Revier des imposanten Tieres eingedrungen, und die Tatsache, dass der Silberrücken nicht längst vor ihm weggelaufen war, ließ nur den Schluss zu, dass er der Bedrohung ins Auge sehen und sich bald über Georg hermachen würde. Georg fröstelte. Ausgerechnet er, der so vertraut mit den Tieren war, sollte einem von ihnen ausgeliefert sein?
    Georg hatte reflexartig zu Boden gesehen, um dem Blick des Tieres nicht zu begegnen. Aber das verschaffte ihm höchstens ein paar Minuten. Noch immer verhielt der Gorilla sich friedlich, und Georg wurde unsicher. Was ging hier vor sich? Nach einer Weile hob Georg vorsichtig den Kopf – der Silberrücken saß unverändert da und rührte sich nicht. Er hätte ihn längst anfallen können. Aber nichts dergleichen geschah.
    Die Augen des Gorillas waren strahlend orange. Georg hatte schon in viele Berggorilla-Gesichter gesehen, aber noch nie in solch ein Feuer. Die Augenfarbe der ihm bekannten Tiere war eher hellbraun. Höchstens mit einem leichten Stich ins Orange. Die leuchtende Intensität dieser Augen vor ihm hob sich von dem Ausdruck aller anderen auf eine Weise ab, die er nicht einmal theoretisch für möglich gehalten hätte.
    Da das Tier sich weiterhin nicht regte, sah Georg sich wieder um. Dabei bemerkte er, dass das, was er zunächst als gegenüberliegendes Ufer angesehen hatte, eine Insel war, die mitten im See vor ihm ruhte. Dort schienen Menschen zu leben. Er konnte Felder und Hütten erkennen, ein paar Boote schaukelten im

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