Mondberge - Ein Afrika-Thriller
Rechts bot die kleine Terrasse mit fünf Tischen Schutz vor der Sonne und dem für diese Region typischen Regen. Dahinter befand sich als Begrenzung zur schmalen Straße, die sich weiter den Berg hochwand, ein dichter Hain aus Bananenstauden, in dem zwei Ziegen nach Futter suchten.
Allmählich tauchte Andrea wieder aus ihren Gedanken auf. Hans und Tom unterhielten sich angeregt. Birgit und die anderen saßen auf den Barhockern und Sofas, tranken Bier und hörten dem Gespräch zu. Andrea nutzte die Gelegenheit, um Peter unbemerkt zu beobachten.
»Die knallen alles ab, was sich bewegt«, sagte Hans gerade. »Dabei sind sie angeblich so eng mit der Natur verbunden, glauben an abstruse Geister auf den Gipfeln der Berge und rennen holzgeschnitzten Götzen nach. Aber wenn es darum geht, ihren eigenen Lebensraum zu erhalten, dann verhalten die sich wie Vollidioten. Deshalb war es richtig, sie aus den Bergen umzusiedeln.«
»Den Menschen blieb ja keine andere Wahl«, warf Tom ein. »Die Regierung hat ihre Gebiete immer weiter beschnitten, und sie mussten von irgendetwas leben. Und umsiedeln ist eine nette Beschreibung dafür, dass die Menschen aus dem Ruwenzori vertrieben wurden.« Er sprach ruhig und überlegt, ohne sich zu ereifern – im Gegensatz zu Hans, dem schon die Röte ins Gesicht schoss. Andrea lächelte in sich hinein. An Toms Stelle wäre sie Hans vermutlich längst an die Gurgel gegangen.
»So ein Unsinn«, meinte Hans. »Diese weltweit einzigartige Natur muss um jeden Preis erhalten bleiben. Da ist es nur richtig, die Menschen, die ja doch nur Bäume fällen und Tiere töten, in die Orte hier unten zu bringen. Hier gibt es außerdem Schulen, die Kinder lernen Englisch und werden medizinisch versorgt. Ich sage nur: Schuster bleib bei deinen Rappen.«
Andrea verdrehte die Augen. Tom lachte leise. Dann setzte er wieder eine ernste Miene auf.
»Die Menschen leben in diesem Gebirge seit Tausenden von Jahren«, erwiderte Tom. »Das bisschen Fleisch, was sie gejagt haben, fällt nicht ins Gewicht. Wilderer von außerhalb haben Felle und andere Trophäen für Touristen gejagt – die waren das Problem. Dabei haben sie die Elefanten, Schimpansen und Leoparden hier so gut wie ausgerottet. Diesen Leuten hätte man viel früher entgegentreten müssen. Aber das war in der Zeit Idi Amins kein Thema, und unter Obote hatten die Menschen andere Probleme. Doch seit Museveni im Amt ist, hätte man anders damit umgehen können.«
»Bist du schon mal da oben gewesen?«, mischte sich nun Kathrin ein, die sich bislang mit keinem Wort an dem Gespräch beteiligt, sondern ihre Fingernägel studiert hatte.
»Ja, und ich freue mich auf das zweite Mal«, antwortete Tom geheimnisvoll.
In diesem Moment trat ein Einheimischer an den Tisch.
»Das ist Nzanzu«, stellte Peter ihn vor und sah Tom an, als er fortfuhr: »Er ist der perfekte Guide für deine Tour, Tom.«
Nzanzu war kleiner als alle anderen am Tisch. Außerdem wirkte er alt, obwohl er einen trainierten Eindruck machte. Tom begrüßte ihn und wandte sich dann an Peter.
»Ich habe meine Pläne ein wenig modifiziert.« Dabei warf er einen flüchtigen Blick auf Andrea. »Wenn es euch nicht stört, dann werde ich den ersten Teil der Wanderung mit euch zusammen machen.«
Andrea nickte leicht mit dem Kopf und lächelte.
»Für mich ist das in Ordnung«, sagte Peter.
»Welchen Weg wolltest du denn ursprünglich nehmen?«, mischte sich Hans ein.
»Ich wollte den Central Circuit in umgekehrter Richtung laufen, das heißt, wir wären uns dann auf halbem Weg erst wieder begegnet.«
Tom sah Nzanzu an.
»Können wir bis zu den Kitandara-Seen mit den anderen zusammen gehen?«
»Den Geistern wird das gleich sein«, sagte der Guide und nickte.
Andrea blickte zwischen Nzanzu und Tom hin und her.
»Dann glaubst du also an die Geister der Mondberge?«, wollte sie von dem Einheimischen wissen.
Der sah sie mit seinen klaren Augen an. »Sie sind da. Dort oben in den Bergen genauso wie hier unten in den Dörfern. Sie gehören zu den Bayira, meinem Stamm, wie die Berge und der Wald. Seit Ewigkeiten besiedeln unsere Vorfahren sowohl die östlichen als auch die westlichen Hänge der Berge. Und auch wenn wir heute durch eine Grenze getrennt sind, sind doch dieselben Geister für uns da.«
»Und was tun die Geister?«, bohrte Andrea unruhig nach.
»Unsere Geisterwelt«, antwortete Nzanzu geduldig, »unterteilen wir in gute und böse Geister. Die guten, die Abalimu, beschützten die
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