Mondberge - Ein Afrika-Thriller
meine Liebe«, flüsterte sie. »Punkt eins: Ob Martin schwul ist oder nicht, das ist mir schnuppe. Punkt zwei: Ich bin nicht deine beste Freundin, mit der du deine Erfahrungen im wilden Afrika mit der Realität eines Spielfilms abgleichen kannst. Und Punkt drei: Wenn ihr beide euch jetzt zwei Wochen lang streitet, dann werde ich euch in einer dunklen Nacht irgendwo da oben im Gebirge erwürgen. Das würde übrigens niemand merken, und es würde auch keinen interessieren.« Mit kühlem Blick sah sie Kathrin in die Augen. »Haben wir uns verstanden?«
Kathrin nickte leicht. Sie war blass.
Andrea lehnte sich in ihrem Sitz zurück. Ihr Blick wanderte aus dem Fenster. Tom beobachtete sie mit einem Lächeln. Kathrin erhob sich langsam, beugte sich zu Kai nach vorne, flüsterte ihm etwas zu, während sie nach hinten wies. Kai wandte sich zu Andrea um, nickte ihr zu, als er sah, dass sie ihn bemerkt hatte. Kathrin setzte sich hinter ihn und redete leise auf ihren Freund ein.
In den nächsten Stunden veränderte sich die Landschaft, durch die die Reisegruppe fuhr, zusehends. Die flachen Steppen und riesigen Sümpfe mit Papyruspflanzen wurden allmählich von sanften Hügeln abgelöst. Sie durchquerten Fort Portal am Fuße des Ruwenzori und verließen etwa eine Stunde später bei Ibanda endgültig die befestigten Straßen. Hier kam das Fahrzeug nur noch langsam voran. Schlaglöcher zwangen Manfred immer wieder zum Schritttempo. Außerdem waren viele Fußgänger auf den Straßen unterwegs, und er konnte nicht immer davon ausgehen, dass sie sich mit einem schnellen Sprung in den Graben in Sicherheit bringen würden.
Als Tom wieder nach vorne sah, ragte unvermittelt vor ihnen das Gebirge empor. Der Ruwenzori. Seine Berge. Gewaltige Wolken schienen wie aus Gips gegossen auf den Spitzen zu liegen. Ein kühler Windhauch zog durch das Autofenster herein. Schon im nächsten Moment hatte der Himmel sich zugezogen und ein paar schwere Regentropfen fielen auf das Dach. Das Wetter schlug um. Der Ruwenzori präsentierte sich keineswegs einladend. Aber Tom würde sich nicht abschrecken lassen. Dort oben sollte er die nächsten sieben Tage verbringen – vielleicht sogar noch länger, je nachdem, wie sich seine Pläne entwickelten. Vielleicht war es eine gute Idee, tatsächlich ein paar Tage mit dieser Reisegruppe mitzulaufen, um diese Frau genauer kennenzulernen. Tom fühlte sich wie einer der großen Eroberer des 19. Jahrhunderts.
7
Ostseite des Ruwenzori, 10. Juni
Uganda. Ein ostafrikanisches Land mit einer unheilvollen Geschichte. Britisches Protektorat von 1894 bis zur Unabhängigkeit 1962. Einparteiendemokratie und afrikanischer Sozialismus beherrschten lange die Politik. 1971 griff Idi Amin nach der Macht in der Hauptstadt Kampala und verjagte den damaligen Präsidenten Obote. Seine Regierungszeit wurde zur Hölle für alle, die nicht seiner Meinung waren.
300.000 Oppositionelle kamen unter Idi Amin ums Leben. Er räumte in der Armee ethnisch auf, ließ jeden töten, der nicht seine Linie vertrat. Innerhalb Afrikas wurde nur vom Präsidenten Tansanias laut Kritik geäußert. Amin erklärte dem Nachbarland kurzerhand den Krieg, der jedoch mit seiner eigenen Vertreibung nach Saudi-Arabien endete. Die arabische Halbinsel ist ein beliebtes Ziel bei gefallenen Tyrannen.
Der ehemalige Präsident Milton Obote kehrte nach Kampala zurück, und auch er verlieh seinem Unverständnis über abweichende Meinungen mit harter Hand Ausdruck: Etwa 500.000 Menschen verloren dabei ihr Leben.
Yoweri Kaguta Museveni marschierte Mitte der 1980er Jahre mit seinen Rebellen in die Hauptstadt ein und ließ sich zum Präsidenten wählen. Er sitzt bis heute auf seinem Thron und kann sich zugute halten, das Einparteiensystem erfolgreich verteidigt und zahlreiche Kinder zu Soldaten versklavt zu haben, den Menschenrechten eher ambivalent gegenüberzustehen und Schwulen und Lesben das Lebensrecht zu verweigern.
2012 erkor der Reiseführer »Lonely Planet« Uganda wegen seiner schönen Graslandschaften, seiner vielen wild lebenden Tiere, der traumhaften Safaris und romantischen Wasserfälle zum Reiseland Nummer eins weltweit.
Tom wurde aus der Lektüre eines Artikels über Uganda gerissen, als Manfred den großen Toyota mit Schwung auf das hügelige Gelände des Ruwenzori Mountaineering Service in Nyakalengija steuerte. Ein freundlich aussehender Ugander kam ihnen entgegen.
»Da ist Peter, unser Guide!«, rief der Reiseleiter.
Der Wagen kam mit einem
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