Mondberge - Ein Afrika-Thriller
für sich allein.«
Tom hatte sich lange nicht mehr so wohl gefühlt. Dass es zugleich auch das vorerst letzte Mal sein sollte, ahnte er nicht.
57
Hamburg-Fuhlsbüttel, 19. Juni
Bernard Kayibanda musste unweigerlich lächeln. Er hatte gewusst, dass es so kommen würde. Aber er hatte nicht damit gerechnet, dass sich Johannes Nikolaus Peter Freiherr von Schellenburg so schnell bei ihm melden würde. Er knöpfte sein gebügeltes weißes Hemd zu. Er begutachtete seine Frisur und beseitigte einen winzigen Fleck auf dem feinen Leder seines rechten Schuhs. Ja, jetzt passte alles perfekt zu dem Auftritt, den er für diesen Besuch geplant hatte. Er verließ seine Zelle und trat in den langen Zellentrakt des Hamburger Gefängnisses Santa Fu.
Im letzten Raum des Besuchstraktes saß der deutsche Generalbundesanwalt und wartete. Kayibanda verlangsamte seinen ohnehin schon gemäßigten Schritt. Er wollte ihn noch etwas zappeln lassen. Der mächtige Mann wirkte nervös. Sein linkes Bein wippte ununterbrochen, seine Gesichtshaut war gerötet, den Blick hatte er ins Leere gerichtet und die Ringe unter den Augen ließen auf einige schlaflose Nächte schließen. Der Hahn war bereit zur Schlachtung.
»Herr von Schellenburg, wie schön dass Sie mich hier in meiner gemütlichen Behausung besuchen kommen«, flötete Kayibanda und bot ihm die Hand zum Gruß.
Von Schellenburg blickte auf, und Kayibanda erschrak. Die Augen des Mannes waren stechend und kalt. Er ignorierte Kayibandas Hand und erhob sich von seinem Platz. Dem Afrikaner wurde schlagartig klar, dass er diesen Mann unterschätzt hatte. Er würde also nicht umhinkommen, heute schon seinen letzten Trumpf auszuspielen.
»Ich kann nicht behaupten, dass es mir eine Freude ist, Sie zu treffen, und ich hätte gut darauf verzichten können. Aber die Umstände zwingen mich dazu.« Von Schellenburg überragte ihn um fast zwanzig Zentimeter.
Ohne eine Reaktion abzuwarten, fuhr von Schellenburg fort: »Ich kann mir denken, was Sie fordern, um meine Tochter wohlbehalten nach Deutschland zurückzubringen. Aber ich möchte es doch gerne noch einmal aus Ihrem Mund hören.«
Die beiden Männer setzten sich an den kleinen Tisch.
»Nun gut, dann kommen wir gleich zur Sache«, antwortete Kayibanda. »Ich könnte mich für Sie einsetzen und in die Wege leiten, dass Ihre Tochter wohlbehalten aus Uganda ausreisen kann. Dafür müssten Sie mir allerdings einen kleinen Gefallen erweisen.«
»Sie ist also noch in Uganda?«
Kayibanda lachte. »Geben Sie sich keine Mühe. Ich hätte genauso Zaire oder Ruanda sagen können. Oder wäre Ihnen der Südsudan lieber?«
Da war es. Ein nervöses Flackern in den Augen des höchsten deutschen Staatsanwalts. Auf dem Level musste Kayibanda ihn halten.
»Afrika hat so viele Staaten, in denen sich Menschen hervorragend verstecken lassen«, fuhr er fort. »Und glauben Sie mir: Ich habe Kontakte in jeden einzelnen davon. Bis in die höchsten Kreise.« Er lächelte.
»Was fordern Sie also von mir?«
»Forderung – dieses Wort klingt so hart. Es ist eher eine Bitte.« Kayibanda machte eine Pause, damit der Zynismus seine volle Kraft entfalten konnte. Dann ließ er die Katze aus dem Sack. »Lassen Sie mich ein paar Dinge ausführen und Sie werden sehen, dass ich sehr gut über Ihre Gesetze informiert bin. Unterbrechen Sie mich, sollte ich mich wider Erwarten in einem Detail irren.« Kayibanda erforschte das Gesicht seines Gegenübers genau, bevor er fortfuhr. »Der Prozess gegen mich hat noch nicht begonnen. Ihre Bundesanwälte stellen zurzeit die Unterlagen für die Anklage zusammen. Sie haben dazu schon sechs Monate Zeit gehabt und wenn sie mich noch länger hierbehalten möchten, müssten sie nun einen neuen Antrag stellen und gute Gründe dafür nennen. Für Sie als Generalbundesanwalt bedeutet es einen einzigen Anruf, das abzuwenden. Sie müssen Ihre Entscheidung noch nicht einmal begründen. Sie haben es in der Hand, ob ich morgen die Mauern dieses romantischen Backsteinbaus von außen betrachten kann. Daher bitte ich Sie um diesen einen Anruf. Wollen Sie den für mich tätigen?«
»Was geschieht, wenn ich es nicht mache?«
»Dann bleibt alles beim Alten und alle in dem Land, wo sie sich gerade aufhalten – Sie, ich und Ihre Tochter Andrea.«
Der Name ließ von Schellenburg zusammenzucken.
»Welchen Beweis haben Sie dafür, dass meine Tochter noch am Leben ist?«
»Hat Ihnen Herr Wiese nicht die Namen Ihrer Freunde genannt?«
»Verkaufen Sie mich
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