Mondberge - Ein Afrika-Thriller
gestürzt.«
»Wir gehen erst mal in die große Höhle«, entschied Georg. »Da ist mehr Licht.«
Vorsichtig tasteten sie sich Meter für Meter vorwärts. Nach einer Weile, die ihnen wie Stunden erschien, erreichten sie endlich den Durchgang. Natürlich hatte Georg Recht, dachte Peter, da war mehr Licht. Aber es war auch das endgültige und unverzeihliche Eindringen in das Allerheiligste der Geister der Mondberge. Eine Stimme in Peters Kopf warnte ihn ununterbrochen davor, weiterzugehen. Sie hämmerte ihm die Warnung regelrecht ein.
Aber sie hatten keine Wahl, so sehr sich auch alles in Peter sträubte. Er dachte an die Gebete, die seine Großmutter ihm beigebracht hatte, um die Geister milde zu stimmen. Er suchte nach den alten Worten, leierte sie flüsternd herunter, in der Hoffnung, die Geister zu beruhigen.
Als er schließlich durch die Öffnung trat, verschlug der riesige Raum Peter sofort den Atem. Er hatte schon einige Heiligtümer ugandischer Völker gesehen, doch keines war mit diesem vergleichbar. Sie standen am Rand eines grünlich leuchtenden Sees. Die Decke der Höhle wölbte sich hoch über ihnen auf, bis in dreißig, vierzig Meter Höhe. Peter entdeckte in der Mitte des Sees die riesige Tropfsteinsäule aus Georgs Bericht. Majestätisch erhob sie sich aus dem Wasser. Sie reichte von einer kleinen Unterbrechung abgesehen bis an die Decke. Rechts und links der Säule wölbten sich natürliche Brücken aus Felsgestein hinüber zu dem Weg, der sich an beiden Seiten der Höhle an der Felswand entlang wand. Auf der gegenüberliegenden Seite stürzte Wasser aus dem Felsen in den See und brachte Bewegung in die Fluten. Die Säule im Zentrum musste der Schrein sein, denn von ihr strahlte eine elementare Energie aus, die Peter wie ein starker Magnet anzog.
Andrea stand mit offenem Mund neben dem Fluss, der sich an dieser Stelle aus dem riesigen See in das verzweigte Höhlensystem hinter ihnen ergoss. Georg war so fasziniert wie bei seinem ersten Betreten der Höhle vor einigen Tagen. Das grünliche Leuchten ging in Wellen von dem Wasserfall aus, verstärkte sich manchmal, dann wieder erlosch es fast vollkommen.
»Was ist das?«, fragte Andrea.
»Auf jeden Fall etwas sehr Heiliges. Ich vermute, dass die Oberhäupter des Clans der Abathatha diesen Ort bei besonderen Anlässen aufsuchen, um ihren Geistern und Ahnen Opfer zu bringen«, sagte Peter ehrfurchtsvoll.
Ein Luftzug wirbelte an ihm vorbei. Er konnte nichts entdecken, doch Peter ahnte, was geschah. Die Geister waren hier. Sie waren immer hier, und wer sich an diesem Ort einen Fehler erlaubte, hatte keine Chance, die Höhle lebend wieder zu verlassen. Schatten krochen an den Felswänden hinauf, Stimmen mischten sich wispernd in das gurgelnde Geräusch des Wassers zu ihren Füßen. Panik breitete sich in Peter aus.
»Wir dürfen hier nicht bleiben«, sagte er leise. »Lasst uns sofort weitergehen.«
Er wandte sich nach links, um den leuchtenden See auf dem schmalen Pfad, der sich an der Felswand zwischen den Felsen entlangschlängelte, zu umrunden. Andrea hielt ihn zurück.
»Was ist mit Kathrin?«
»Wir dürfen uns hier nicht lange aufhalten«, entgegnete er eindringlich. »Die wütende Energie der Geister nimmt stetig zu. Sie wollen ein Opfer.«
»Wir haben sie schon einmal im Stich gelassen«, erwiderte Andrea, und ihre Stimme bebte vor Angst und Zorn zugleich. »Ein zweites Mal lasse ich das nicht zu. Oder glaubst du etwa, dass ein Geist sie geholt hat? Dieser Kathelhuli?«
Aus der Tiefe des Sees erklang ein drohendes Grollen, archaisch und unergründlich. Das Wasser erstrahlte heller als zuvor. Der Boden vibrierte, als ginge ein Erdbeben durch den Fels. Die Schatten an den Wänden huschten unruhig durcheinander. Andrea glitt beinahe aus, griff mit einer Hand nach einem Felsvorsprung. Peter hielt ihre andere Hand fest.
»Du darfst die Namen der Geister nicht laut aussprechen«, raunte er ihr zu.
Das Grollen nahm an Intensität zu, einige der riesigen Stalagtiten an der Decke schwangen bedrohlich hin und her. Dann hörten sie einen Schrei. Gellend und lang gestreckt.
»Kathrin!« Andrea erstarrte.
»Was geschieht hier?«
Peter suchte den Raum nach irgendeinem Zeichen ab. Im Zentrum der Höhle, auf der zehn Meter aus dem See herausragenden mächtigen Tropfsteinsäule, in deren Innerem sich das Heiligtum der Abathatha befand, entdeckte er, was er suchte. Auf dem nackten Felsen konnten sie einen Frauenkörper erkennen.
»Sie ist dort
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