Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Mondberge - Ein Afrika-Thriller

Mondberge - Ein Afrika-Thriller

Titel: Mondberge - Ein Afrika-Thriller Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephan Martin Meyer , Andreas Klotz
Vom Netzwerk:
sind die anderen so plötzlich aufgebrochen?«
    »Sie wurden bei der Zeremonie entdeckt«, antwortete Hitimana.
    »Und euer Schamane hat gesagt, die Geister werden sie für die Störung bestrafen, richtig?« Tom blieb kurz stehen und fixierte die Jungen hinter sich.
    »Unsere Geister sind mächtig, das solltest du mittlerweile wissen. Sie strafen und belohnen nach ihren eigenen Regeln.« Kambere unterbrach sich, bevor er leise hinzufügte: »Ja, sie werden sie bestrafen.«
    Verzweiflung stieg in Tom auf. Sie mussten etwas tun, sie mussten schneller vorankommen. Er wollte Andrea unbedingt zur Seite stehen.
    Tom rannte beinahe durch die dunklen Gänge. Als sie wieder einmal an einer Gabelung standen und rätselten, welches der richtige Weg war, weil das Wasser aus beiden Gängen herausströmte, bemerkte Tom einen schmalen Spalt auf seiner rechten Seite. Irgendetwas daran zog ihn an. Er zwängte sich mit der Fackel zwischen die Felsen und stieß auf einen kleinen Höhlenraum.
    »Was ist das?«, fragte Kambere, der ihm gefolgt war, und wies in den Schatten.
    Tom hob die Fackel hoch, um zu sehen, was der Junge entdeckt hatte. Erschrocken wich er zurück. Auf dem Boden lag ein menschliches Skelett. Er atmete einmal tief durch, dann untersuchte er die Knochen.
    »Die Leiche muss schon lange hier liegen«, sagte er. »Die Knochen sind vollkommen blank.«
    »Das ist keiner aus unserem Dorf«, entgegnete Kambere.
    »Woher weißt du das?«
    »Die Kleidung.« Der Junge beugte sich vor. »Oh mein Gott!«, rief er erstaunt aus. »Das ist Stefan. Der Weiße, der bei uns gelebt hat. Ich erkenne sein Hemd und die Hose. Und die Uhr. Ich habe bei ihm zum ersten Mal so etwas gesehen.«
    »Dann stimmt es, was Mbusa vermutet hat: Sie haben ihn getötet«, murmelte Tom.
    »Das glaube ich nicht. Wir von unserem Volk beerdigen selbst unsere schlimmsten Feinde, denn wir wissen genau, dass die Ahnen zurückkommen und Rache nehmen, wenn wir das nicht tun.«
    »Kann es nicht eine Ausnahme sein?«
    »Er trägt seine Uhr noch am Arm. Alle Männer im Dorf wollten sie damals unbedingt haben. Er hat hohe Angebote dafür bekommen, aber er hat sie alle abgelehnt. Wenn ihn jemand aus dem Dorf getötet hätte, wäre die Uhr jetzt fort.«
    Schweigend betrachteten sie die verblichenen Knochen. Jäh durchfuhr Tom die Hoffnung, dass er es schaffen würde, anstatt zu enden wie Stefan.
    »Haben ihn die Geister dafür bestraft, dass er den Berg betreten hat?«
    »Das ist möglich.«
    »Warum strafen sie uns dann nicht?«
    »Vielleicht tun sie das noch ...«
    Tom nahm ein Halstuch, das neben dem Gerippe lag, betrachtete es nachdenklich und legte es dann über den bleichen Schädel.
    »Wir können ihn nicht begraben«, sagte er. Eine Weile sprach niemand. Dann forderte Tom die beiden Jungen auf: »Lasst uns weitergehen.«
    Sie folgten dem Flusslauf weiter durch den Berg. Hin und wieder vernahm Tom ein dumpfes Grollen tief aus den Felsen. Mehrmals meinte er, Jens vor sich zu sehen. Doch wenn er genauer hinsah, war der vermeintliche Schatten sofort wieder verschwunden.
    Das Geräusch schwoll an, je weiter sie in den Berg eindrangen. Tom erinnerte sich an die beängstigenden Wesen, denen er im Fieberwahn auf dem Gletscher begegnet war. Die orangefarbenen Augen hatten sich tief in sein Bewusstsein eingegraben. Der Gedanke an Andrea trieb ihn nur noch schneller ins Berginnere.
    Die drei entzündeten mittlerweile die dritte Fackel, die das Atmen zwar schwer machte, weil der beißende Qualm ihnen ins Gesicht wehte, die zugleich aber die einzige Möglichkeit war, den sich immer wieder verzweigenden Gängen des unendlich scheinenden Höhlensystems eine sinnvolle Richtung abzuringen.
    Trotz der zusätzlichen Beschwerden hasteten sie durch die langen dunklen Gänge, die keine Ende zu nehmen schienen – bis sie unversehens die riesige Höhle, das Heiligtum und den See erreichten.
    Als Tom so plötzlich mit der überwältigenden Majestät des in grünes Licht getauchten Gewölbes konfrontiert war, glaubte er zunächst an eine Sinnestäuschung, an einen Wahn. Er fühlte sich unweigerlich an einen Besuch in Paris erinnert, an den Moment, als er Notre Dame zum ersten Mal betrat. Der Anblick der Abertausenden Stalagmiten in dieser gigantischen, turmhohen Höhle verschlug ihm für einen Moment den Atem. Sein Gesicht war erhellt vom Widerschein des Grün, das den ganzen Raum erfüllte. Georg hatte untertrieben. Das war keine unterirdische Kirche, das war eine Kathedrale, von der

Weitere Kostenlose Bücher