Mondberge - Ein Afrika-Thriller
mir erzählt, dass er auspacken wollte. So hat er es formuliert. Auspacken.«
»Was hätte er denn auspacken sollen?«, fragte Georg scharf.
»Der vierte in eurer Freundesgruppe. Er hatte wohl ziemlich viel Dreck am Stecken. Und heute spielt er eine sehr wichtige Rolle in Deutschland.«
»Was willst du sagen?«
»Stefan fühlte sich bedroht. Er hat mir am Abend vor seiner Abreise gesagt, dass er um sein Leben fürchtet. Er wollte nicht nur wegen der Berggorillas in den Ruwenzori, sondern auch, um für eine Weile unterzutauchen. Er hat mir einen Umschlag mit Unterlagen gegeben, den ich aufbewahren sollte, bis er zurückkommt.«
Georgs Augen flackerten leicht. »Was waren das für Unterlagen?«, fragte er.
»Belege dafür, was euer Freund Anfang der Siebziger in Uganda getan hat. Er schreibt, dass er befürchtet, von ihm aus dem Weg geräumt zu werden, wenn ans Licht kommt, dass er auspacken will.«
»Das sind doch Hirngespinste. Niemand wollte Stefan etwas antun.«
»Tatsächlich niemand?« Harald blickte Georg scharf an. »Ich bin ein neugieriger Mensch. Gleich nach Stefans Abreise habe ich in den Umschlag hineingesehen – er war ja nicht zugeklebt. Du wirst darin mit diesem ehemaligen Freund, von dem er befürchtete, aus dem Weg geräumt zu werden, in einem Atemzug genannt. Zwei Wochen später ist ein UN-Flugzeug im Ruwenzori abgestürzt. Niemand wusste, warum es an den Rwatamagufa Peaks zerschellt ist, und es ist nicht bekannt, wie viele Passagiere es genau an Bord hatte. Und die Unterlagen sind seitdem verschwunden.« Harald strich sich über die Haare, bevor er fortfuhr: »Du willst doch sicherlich nicht, dass ich mir weitere Gedanken darüber mache, oder?«
Mit kalten Augen sah Georg seinen Mitarbeiter an. Rote Flecken zeichneten sich auf seinen Wangen ab, und es wirkte einen Moment so, als wolle er ihm an die Gurgel gehen. Doch schließlich nickte er.
»An dem, was du dir da zusammenreimst, ist nicht ein Funken Wahrheit. Aber ich werde noch einmal darüber nachdenken, ob du bei der Expedition vielleicht nützlich sein kannst.« Er wandte sich um. Über die Schulter murmelte er ein »Komm mit.« Mit zügigen Schritten durchmaß Georg den Aufenthaltsraum. Harald folgte ihm mit einer Mischung aus Unbehagen und Spannung.
Georgs Arbeitszimmer war chaotisch. Papierstapel, Bücher und Fotografien lagen bunt verstreut. Georg zog einen Umschlag aus einer Schublade, schob die Papiere auf dem Tisch zur Seite und breitete den Inhalt des Umschlags darauf aus. Harald entdeckte Karten, handschriftliche Notizen und Ausdrucke langer Texte. Die Unterlagen, die Hans zurückgelassen hatte. Georg suchte einen Moment lang, bis er gefunden hatte, was ihm am wichtigsten erschien.
Hans hatte über den Ruwenzori recherchiert. Er war offenbar an Informationen gekommen, die aus dem Gedächtnis des Volkes der Bayira stammten. Neben Erläuterungen zu ihrer Kultur, den Orten, an denen sie lebten, und dazu, wie sie mit dem Naturschutzgebiet an der Grenze zum Kongo umgingen, fanden sich auch lange Beschreibungen der Landschaft und der Natur. »Warum hat Hans die Unterlagen hier gelassen?«, wollte Harald wissen.
»Er sagte, er habe alles im Kopf und wolle so wenig Ballast wie möglich auf die Wanderung mitnehmen. Er hat noch mehr Sachen zurückgelassen.« Georg wies mit der Hand in die Ecke, wo eine Reisetasche stand.
Harald las in einem Dokument über die Berichte der Bayira. Plötzlich stutzte er. Hier war die Rede von behaarten Geistern, die in den Wäldern um die Rwatamagufa Peaks gesehen wurden. Sie waren nur am Rande beschrieben; derjenige, der das Gespräch aufgezeichnet hatte, nannte sie die Geister der Mondberge.
»Das ist doch ein Hinweis auf die Berggorillas, dem wir nachgehen könnten!«
Harald war aufgeregt, als er die Worte las.
Doch Georg winkte ab: »Solche Berichte haben noch nie dazu geführt, dass die Tiere nachgewiesen wurden. Aber ich sehe ein, dass wir das verfolgen sollten.«
Harald ärgerte sich über den Dämpfer, den Georg ihm verpasste. »Wenn du so skeptisch bist, warum willst du dann überhaupt aufbrechen?«
»Ich habe diese ewigen Diskussionen satt. Ich werde der Frage nachgehen, ob es in diesem Gebirge überhaupt Berggorillas geben kann. Und ich werde etwas finden, was eindeutig gegen diese Berge als Lebensraum spricht.«
»Aus dir werde ich einfach nicht schlau. Was glaubst du denn zu finden?«
»Die Höhe. Die Kälte. Ein zu geringes Nahrungsangebot. Vielleicht auch die Nähe zur
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