Mondberge - Ein Afrika-Thriller
hielten den Atem an, erstarrten in ihrer Haltung, bis die Muskeln zu schmerzen begannen. Und sie atmeten erleichtert auf, als sich die Hosenbeine wieder entfernten.
Durch die Dunkelheit war kaum etwas zu erkennen. Toms Sinne verschwammen. Die Senezien schienen sich zu bewegen. Neben ihm sprach jemand. Ganz leise flüsterte eine Stimme ihm etwas zu. Tom versuchte, seine Augen zu fokussieren, konnte aber nichts erkennen. Plötzlich bewegte sich eine matt schimmernde Silhouette durch die Dunkelheit. Toms Herz raste. Der Junge blickte Tom an.
Tom richtete sich halb auf.
»Was ist los?«, fragte Andrea ihn.
»Er ist wieder da«, antwortete Tom tonlos.
»Wer?« Erschrocken wandte sich Andrea um.
»Der Junge«, sagte Tom. Er stand auf. Feiner Regen setzte ein. Am Horizont wurde es langsam hell. Dunst zog tief am Boden in dünnen Schwaden zwischen den Felsen und Pflanzen hindurch.
»Welcher Junge?« Andrea hielt Tom am Arm fest. »Bleib hier!«
Doch der schüttelte sie ab. Ohne zu antworten kroch er aus ihrem Versteck heraus.
Tom ging in die Landschaft hinein. Die Helligkeit kommt schnell in der Äquatorregion. Andrea sprang auf und rannte ihm nach. Doch es war zu spät. Hinter ihnen ertönte ein lauter Schrei. Tom erwachte wie aus einer Trance. Der Junge war fort. Andrea zog Tom hinter sich her den Abhang hinunter. Rutschige Steine bedeckten den Boden, Wurzeln erschwerten ihnen den Weg, er knallte gegen eine abgestorbene Senezie, die dem Aufprall nicht standhielt und umstürzte.
Tom packten sie zuerst. Drei auf einmal. Dann waren sie bei Andrea. Sie stürzten sich mit lautem Geschrei auf die beiden, schleuderten sie auf die Steine. Tom rutschte über den Boden, bis sich einer der Soldaten auf ihn warf. Ein Stiefel traf ihn schmerzhaft in die Seite, ein zweiter Soldat trat ihm mit voller Wucht gegen ein Knie. Zwei griffen Andrea brutal unter den Achseln und richteten sie auf. Sie waren nur wenig kleiner als Tom. In diesem Moment fiel ihm zum ersten Mal auf, dass diese Soldaten größer waren als die Menschen, die sie als Träger und Guides kennen gelernt hatten. Einer von ihnen zog ein Seil aus der Tasche, presste Toms Arme auf dem Rücken zusammen und schnürte seine Hände so fest zusammen, dass er vor Schmerz laut aufschrie. Ein letztes Mal versuchte er sich aus der Gewalt dieser Männer zu befreien, doch dann gab er es auf.
Andrea beschränkte sich darauf, die Soldaten mit wüsten Worten zu beschimpfen, während auch sie gefesselt wurde. Doch die Männer lachten nur, schubsten sie vor sich her. Tom blutete aus Mund und Nase, seine Jacke war am rechten Ärmel eingerissen und er humpelte, als sie das provisorische Lager erreichten.
Paul erwartete sie schon. Lässig lehnte er an der Felswand, rauchte eine Zigarette, lächelte den beiden entgegen, sagte kein Wort. Hinter ihm kauerten die anderen der Gruppe. Andrea und Tom wurden zu ihnen gestoßen, die Fesseln gelöst, aber nur, um sie mit den Händen auf dem Rücken an einen Stamm zu binden. Erschöpft und resigniert rutschte Tom an diesem herab und ließ den Kopf hängen. Als er sich beruhigt hatte, blickte er um sich und erschrak. Seine Mitstreiter waren allesamt aufs Übelste zugerichtet. Sie saßen, ebenfalls mit Seilen gefesselt, auf der nackten Erde, nass vom Tau des Morgens. Michael hatte ein tiefblau zugeschwollenes Auge, Kai offenbar eine Platzwunde am Kopf. Martin lag auf der Seite, in seinem Mund steckte etwas, das wohl ein Knebel sein sollte. Nur Birgit und Hans schienen einigermaßen unbeschadet zu sein. Auch Nzanzu, Steve, Chaga und Imarika waren zwar gefesselt, saßen jedoch als Einzige unter dem Felsvorsprung, der Schutz vor Regen bot.
»Was ist passiert?«, fragte Andrea. Die anderen stierten sie nur stumm an. Gerade wollte Tom sie um eine Antwort anschreien, als Nzanzu schräg hinter ihn wies. Er drehte den Kopf zur Seite und sah in das Gesicht des zweiten Anführers der Gruppe, der sich jetzt Andrea zuwandte.
»Da hat die Kleine geglaubt, sie könnte sich so einfach vom Acker machen, was?« Er beugte sich zu ihr herunter, griff mit der Hand nach ihrem Kinn. Sie wollte sich wehren, doch er war schneller. Die schmierigen Finger gruben sich tief in ihre Haut. Er grinste ihr ins Gesicht, lachte und spuckte dann neben ihr aus. Dann ließ er ihr Kinn wieder los und ging davon.
Michael, der Tom am nächsten saß, begann zu flüstern, ohne ihm den Kopf zuzuwenden.
»Bleibt ruhig. Nicht laut sprechen. Sobald sie merken, dass wir miteinander reden,
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