Mondglanz
Hypothermie, aber vielleicht kann ich seine Seele ein wenig erwärmen, selbst wenn mir dabei kalt wird bis in die Knochen.
»Machst du Witze?« Ich bringe ein Lächeln zustande. »Ich will dich in mir spüren. Ich vermisse dich.«
Er muss mich nicht berühren, aber er tut es, und ich spüre, wie er seine Stirn gegen meine legt. Eine Art Zugeständnis vielleicht. Marsch erträgt keinen Körperkontakt mehr, nicht einmal mit mir. Der eisige Sturm, der in mir losbricht, straft die Wärme seiner Haut Lügen.
So kalt .
Anfangs spüre ich nichts als kantiges, zerklüftetes Eis. Es ist, als würde ich nackt durchs Teresengi-Becken wandern. Ich muss mich gewaltig beherrschen, um ihn nicht einfach wegzustoßen, versuche, mich zu erinnern, warum ich mir das antue, und harre aus. Er ist nicht allein da drinnen – dies ist mein Geist, meine Seele, und dort ist es nicht so kalt.
Wie aus großer Entfernung höre ich, wie meine Zähne klappern. Jemand – wahrscheinlich Constance – legt uns eine Decke um. Keine Ahnung, ob das was nützt, aber es ist eine nette Geste. Ihre Schritte entfernen sich. Anscheinend merkt sie, wenn Menschen allein sein wollen. Auch eine nette Eigenschaft.
Gerade als ich glaube, ich halte es nicht mehr aus, verändert sich etwas. Die Kälte lässt nach, wird erträglicher, und ich spüre, wie Marsch meine Gefühle für ihn erkundet. Zögerlich wie ein Kind, das Angst hat, etwas Wertvolles kaputt zu machen, tastet er umher.
Ich versuche nicht, ihn aufzuhalten.
Gemeinsam mit mir erinnert er sich an das erste Mal, als wir Sex hatten, und Wärme durchflutet mich. Zuerst sehe ich die Szene, wie ich selbst sie erlebt habe, dann wechselt die Perspektive, und ich sehe mich durch Marschs Augen. Ich lächle ihn an, das Haar dunkel und zerzaust, die Augen hell und silbrig glänzend wie der Mond. Für ihn bin ich pure Schönheit, makellos, perfekt. Er will mich so sehr, dass es ihm Schmerzen bereitet, und jetzt erinnert er sich an diesen Schmerz.
Ich spüre ihn immer noch genauso wie damals.
Ich will ihn, werde ihn immer wollen. Bis die letzte Sonne erloschen ist, lange, nachdem sich mein Körper in kosmischen Staub verwandelt hat. Und selbst dann werden sich meine Atome noch nach ihm verzehren.
Wieder ändert sich das Gefühl zwischen uns, erwärmt sich um weitere millionstel Grad. Blind vom Strom der Erinnerungen taste ich nach seinem Mund. Wird er es zulassen, wenn ich ihn küsse?
Er tut es. Ein Zittern rollt über ihn hinweg wie Donnergrollen eines fernen Gewitters. Seine Bartstoppeln kratzen über meine zarte Wange, und seine Lippen schließen sich um meine. Ich spüre seine Umarmung, kraftvoll und selbstbewusst. Dann zieht mich Marsch auf seinen Schoß, und wir kuscheln uns in die Decke, die Constance uns gegeben hat.
Ich presse mich an seine Brust, schmecke die raue Haut um seine Lippen. Das letzte Mal, dass ich ihn berührt habe, scheint eine Ewigkeit her. Eine Ewigkeit, dass er es zugelassen hat.
Ich habe Angst, die Augen zu öffnen. Angst, allein in meinem Bett aus einem Traum zu erwachen.
»Ich will dich«, flüstert er, als wäre er selbst überrascht; ich zumindest bin es. »Nicht die nächstbeste Frau in meiner Nähe, nicht nur körperliche Befriedigung. Dich .«
Es wäre mir egal. Wenn er sich nur daran erinnert, wie sehr er mich einmal wollte. Auch wenn dies nur ein Abklatsch ist von dem, was er einmal für mich gefühlt hat, alles ist besser, als ihn zu verlieren. Maria, ich will ihn zurück.
Auf jeden Fall ist es ein Fortschritt. Ich werde nehmen, was ich kriegen kann. »Ich schätze, mit Mair ist es ein wenig anders gelaufen.«
Ich bringe ihn tatsächlich zum Lachen, das erste Mal, seit er von Lachion zurück ist. »Allerdings. Sie war ein bisschen alt für mich, selbst als ich sie kennenlernte.«
»Gut zu wissen, dass ich zumindest auf sie nicht eifersüchtig sein muss«, foppe ich ihn und denke an Mairs bestürzend gut aussehende Enkelin Keri.
»Auf Keri brauchst du auch nicht eifersüchtig zu sein«, erwidert er ganz wie früher. Ich hatte vollkommen vergessen, wie sehr ich es mochte, wenn er meine unausgesprochenen Fragen beantwortete. »Sie hat Lex geheiratet, kurz bevor ich Lachion verlassen habe. Ich habe sie freigegeben.«
»Ihr Glück«, murmle ich.
Maria, ich kann mich doch nicht allen Ernstes so kindisch darüber freuen, dass eine vermeintliche Konkurrentin weg ist. Habe ich wirklich so wenig Selbstbewusstsein? Auf jeden Fall war ich noch nie glücklicher, von einer
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