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Mondglanz

Mondglanz

Titel: Mondglanz Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ann Aguirre
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ist. Irgendwie habe ich immer geglaubt, er würde übertreiben. Aber er hat nicht übertrieben. Er ist ein Killer, durch und durch.
    Ich hebe das Kinn und entblöße meine Kehle noch mehr.
    »Soll ich Hilfe holen, Sirantha Jax?«, fragt Constance.
    Wenn ich könnte, würde ich den Kopf schütteln. Aber ich kann es nicht, also sage ich nur: »Ich will keine negative Aufmerksamkeit. Den Vorfall auf dem Platz konnten wir noch für unsere Sache nutzen, aber bei dem hier bin ich mir nicht so sicher.«
    Vor allem, weil es Marsch ist, von dem die Gewalt ausgeht. Er sieht mich an, als würde er sich fragen, warum ich nicht in Panik ausbreche. Mein Herz hüpft in der Brust auf und ab wie ein wildes Tier, aber tief in mir drinnen glaube ich nicht, dass er mir wehtun wird. Vielleicht bin ich ja verrückt. Vielleicht drückt er in paar Sekunden zu und zerquetscht mir die Luftröhre.
    Im Moment sehe ich nur, wie ich zusammengerollt auf seinem Schoß liege und er mir verspricht, dass er immer ein Auge auf mich haben wird. Ich sehe, wie er mir im feuchtheißen Dschungel eines fremden Planeten auf die Beine hilft, während der Regen auf uns herunterprasselt. Ich sehe, wie wir in einer Lehmhütte auf dem Boden knien und das Mareq-Baby bestaunen. Ich sehe, wie er noch einmal umkehrt, um die zu retten, die nicht aus eigener Kraft aus Hon-Durrens Reich fliehen konnten. Ich sehe, wie er den billigen Ring mit dem künstlichen Rubin, den er für seine Schwester gekauft hatte, in meine Hand legt und mir verspricht zurückzukehren.
    Eigentlich müsste er die Goldkette an meinem Hals spüren, an der ich den Ring trage. Ich halte seinen Blick fest und warte, bis er sie bemerkt.
    Marsch lässt mich los und fährt mit der Hand das feine Metallbändchen hinab bis zu der Stelle, wo der Ring zwischen meinen Brüsten hängt. Mit den Fingern hebt er ihn sanft an und schaut mir ungläubig in die Augen.
    Eine Kälte wie von einem Polarsturm durchzuckt mich, als ich seinen Geist in mir spüre. Ich weiß nicht, wie er diese unendliche Kälte aushält. Mich fröstelt, am ganzen Körper bekomme ich Gänsehaut, und die Narben auf meinen Armen treten noch stärker hervor.
    Ich spüre, wie Marsch die Bilder betrachtet, die mir soeben durch den Kopf gegangen sind. Seine Finger umfassen den Ring, und er zieht mich näher an sich heran.
    Ich wehre mich nicht, und unsere Brauen berühren sich beinahe.
    »Du trägst ihn immer noch?«, flüstert er.
    »Du hast versprochen, mir einen schöneren zu besorgen«, erwidere ich leise. »Erinnerst du dich?«
    »Wenn ich dir teuren Schmuck kaufe, lässt du mich dann gehen?«
    Warum klingt er so verzweifelt, so gequält? Dringe ich etwa doch zu ihm durch? Ich weiß nicht, wie es sich für ihn anfühlt, wenn er in mir ist, welche Auswirkungen es möglicherweise auf ihn hat. Sicher werden die Gefühle, die er dort findet, irgendeine Reaktion in ihm auslösen.
    »Ich werde dich nie gehen lassen«, antworte ich ganz langsam. »Ich gebe dich nicht auf, niemals. Aber du kannst gerne Geschenke für mich kaufen, wenn du das möchtest.«
    »Du hast gar keine Angst vor mir?« Da sind sie wieder, diese Eisnadeln. Als würde er versuchen herauszufinden, ob ich lüge.
    »Ein bisschen schon«, gebe ich zu. »Aber ich habe mehr Angst um dich.«
    Ich habe ihn noch nie angelogen, was auch der Grund ist, warum Marsch sich überhaupt in mich verliebt hat, wie er selbst zugegeben hat. Bestimmt werde ich jetzt nicht damit anfangen. Das zarte Pflänzchen, das gerade zwischen uns wächst, würde im Schatten einer Lüge unweigerlich zugrunde gehen. Soll er also selbst sehen, ob ich die Wahrheit sage.
    Er tut es, und ich erschauere.
    »Wenn du es ertragen kannst«, flüstert er schließlich, »würde ich gern ein wenig bleiben und spüren, wie es früher einmal zwischen uns war.«
    Er will in meinen Erinnerungen und Gefühlen herumstöbern, sehen, ob es irgendeine Reaktion in ihm auslöst. Damit kann ich leben, auch wenn ich weiß, dass er nicht so wie ich fühlt. Eigentlich müsste die Kälte, die von ihm ausgeht, mir das Herz brechen. Wahrscheinlich würde sie das auch, wenn ich sicher wäre, dass ich ihn für immer verloren hätte. Oder ich würde mein Herz in die Hand nehmen und dafür sorgen, dass er sich aufs Neue in mich verliebt.
    Marsch gehört zu mir .
    Ich atme noch einmal tief durch, um mich zu wappnen für das, was jetzt kommt. Ich weiß noch vom letzten Mal, wie weh es tut. Anscheinend leidet Marsch an so etwas wie emotionaler

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