Mondglanz
schließlich haben wir uns gemeinsam betrunken. Vielleicht hat Kai es auch so eingefädelt, denn, Maria ist meine Zeugin, wenn ich ein bisschen was intus habe, hält mich nichts mehr.
Ich lächle, was genau das ist, was er erreichen wollte. »Unter die Dusche?«
Kai nickt und hebt mich mit seinen sehnigen Armen vom Bett, als wäre ich leicht wie eine Feder. Anfangs war ich noch überrascht von seiner Kraft. Kai ist nicht besonders groß und auch nicht wirklich muskulös, aber er ist alles andere als schwach. Wir sind wie füreinander geschaffen, und ich liebe ihn so sehr, dass es wehtut. Unsere Beziehung begann nicht gleich mit dem großen Feuerwerk, es war eher ein Funke, der ganz langsam und stetig zu einem Flächenbrand anschwoll.
Ich verschwende nie einen Gedanken an die Möglichkeit, ihn zu verlieren. Mein Glück: Springer müssen sich über so etwas keine Sorgen machen. Wir leben nicht lange genug, als dass wir um andere trauern müssten. Außer umeinander. Deshalb habe ich aufgehört, mit anderen Navigatoren Freundschaften zu knüpfen. Nachdem ich bei der vierten Beerdigung in ebenso vielen Umläufen die Trauerrede gehalten hatte, konnte ich es einfach nicht mehr.
Die Dusche ist klein und eng wie auf allen Stationen, vor allem, wenn man sich zu zweit hineinzwängt, aber wir schaffen es. Kai ist der Einzige, der sich traut, mich zu kitzeln. Ich bin so empfindlich an den Rippen, dass ich jedes Mal wild um mich schlage, wenn er es tut – und das in der Enge der Duschkabine. Schließlich trägt er mich kreischend zurück zum Bett.
»Geht’s dir wieder besser?«, fragt er und haucht mir einen Kuss auf die Schläfe.
»Viel besser. Was wollen wir heute machen?«
Wenn stimmt, was er sagt – und das tut es meistens –, ist das unser letzter Erholungstag. Wir sollten das Beste daraus machen.
Kai tut so, als würde er nachdenken. »Den ganzen Tag nackt herumlaufen?«
Ich ziehe eine Braue hoch. »Hast du immer noch nicht genug von mir?«
»Nie. Wir haben’s noch nicht auf dem Kopf oder seitwärts gemacht. Ich könnte uns Antigrav-Stiefel besorgen.«
Nur Kai bringt mich so oft zum Lachen. »Ich bin nicht sicher, ob die Kabine groß genug ist für solche Vergnügungen.«
»Verdammt. Stell dir vor, wie sie alle schauen würden, wenn wir aufs Fitness-Deck ausweichen!«
»Nun ja, einen gewissen sportlichen Aspekt hat dein Vorschlag immerhin.«
Mit gespielter Traurigkeit schüttelt er den Kopf. »Bloß kann ich mir Sex nur schlecht als Zuschauersport vorstellen.«
»Also keine Antigrav-Stiefel auf dem Fitness-Deck. Was bleibt uns dann noch?«
»Wir beide«, flüstert er.
Ich liebe die Art, wie er mich von den Zehen bis zu den Haarspitzen umschlingt und sein Gesicht in meiner Halsbeuge vergräbt. Er atmet mich ein, als wäre ich so wichtig für ihn wie Sauerstoff. Der Tag zerfließt in einer süßen Mischung aus Sex und herumalbern.
Später gehen wir Hand in Hand auf der Station spazieren, und es ist mir egal, wenn die Leute im Vorbeigehen ihre Witzchen über uns reißen. Klar sind wir ein wandelndes Klischee: noch ein verliebtes Navigatorin-Piloten-Gespann, das der verlockenden Intimität nicht widerstehen konnte, die entsteht, wenn man sich zusammen einklinkt.
Ich stelle mir gern vor, es wäre sowieso passiert, auch wenn wir nicht zusammenarbeiten würden. Andererseits ist es mir schnurzegal, wie und warum es passiert ist. Ich bin nur glücklich, dass es passiert ist. Kai macht mich glücklich, glücklicher, als ich je war.
Kai gibt mir Sicherheit und inneres Gleichgewicht. Seine Sanftheit und seine Geduld bewahren mich davor, ständig von einem Extrem ins andere zu kippen. Er hält meine zerstörerischen Impulse im Zaum, hilft mir nachzudenken, bevor ich handle. Und nie habe ich dabei das Gefühl, dass er dabei versucht, mich zu kontrollieren. Kai zieht mich auf, und ich lache. Dann merke ich, was er mir eigentlich damit sagen wollte, und ich denke darüber nach – etwas, das ich von selbst nie tun würde.
Zum Abendessen gehen wir ins Sternenzelt , ein Restaurant, auf dessen Wänden die Konstellationen rund um die Raumstation abgebildet sind. Das Essen ist wunderbar und meine Begleitung … unbeschreiblich. Ein perfekter Tag.
Am nächsten Morgen geht es wieder an die Arbeit. Wir sollen einen Sternenhaufen in den Außenwelten erkunden, zu einem wenig benutzten Sonnenfeuer in der Nähe springen und sehen, ob wir dort draußen irgendwas Neues entdecken. Diesen Teil meiner Arbeit liebe ich am
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