Mondglanz
Schönheit hinwegsieht.«
»Gut zu wissen. Dann habe ich mit meinen Vermutungen also richtiggelegen. Vielleicht kann ich das ausnutzen. Du kannst die Aufzeichnung jetzt beenden, Constance.«
Eines dieser Insekten würde also gern Dinge mit mir tun, die ich mir gar nicht vorstellen will. Eigentlich sollte das was in mir auslösen. Schock, Ekel, heimliche Neugier vielleicht, aber da ist nichts.
Wenn ich die Augen schließe, mich wieder schlafen lege, kann ich vielleicht wieder bei Kai sein. Es war so real. Nichts aus meinem jetzigen Leben kam in dem Traum vor. Alles war wie vor dem Absturz der Sargasso . Bevor ich ihn verloren habe. Vielleicht kann ich irgendwie dahin zurück. Maria weiß, wie sehr ich mich danach sehne.
Aber nicht jetzt.
»Ist es schon Zeit zu gehen?«, frage ich.
»Ja. Sind Sie bereit, Sirantha?« Vel sieht mich genau an. Vielleicht überlegt er, ob ich lange genug durchhalten werde.
Ich werde mein Bestes tun. Ich will, dass das hier gelingt. Ich will dem Universum etwas hinterlassen, bevor ich mich mit Kai wieder vereine, will, dass die Leute in hundert Umläufen über die gefestigte Freundschaft zwischen Menschen und Ithorianern sagen: Das haben wir Botschafterin Jax zu verdanken.
Das wäre ein würdiges Vermächtnis.
»Gehen wir.«
Ich fühle mich ein kleines bisschen wackelig auf den Beinen, aber es ist nicht schlimm. Zum ersten Mal lässt mich die wundersame Vegetation des Komplexes unberührt. Das Mittagessen im Loft der Großen Verwalterin scheint eine Ewigkeit zurückzuliegen.
Durch einen Tunnel gelangen wir zum Wohnflügel der Ratsmitglieder. Ich komme mir vor wie in einer Gruft, aber nicht einmal mein Hang zur Klaustrophobie kann diesen wunderbar dicken Schleier aus Gefühllosigkeit durchdringen. Nichts berührt mich, nichts kann mich verletzen.
Kurz bevor wir bei Devri sind, bleibt Velith unvermittelt stehen und macht den tiefsten Wa , den ich je bei ihm gesehen habe. Wäre er ein Mensch, würde ich sagen, er ist zutiefst niedergeschlagen, aber bei ihm kann ich mir da nicht sicher sein. Jetzt, da ich mehr Vertreter seiner Spezies kennengelernt habe, verstehe ich erst richtig, wie anders er ist.
»Es tut mir leid«, erklärt er. »Niemals hätte ich Sie so leiden lassen. Hätte ich geahnt, was die Große Verwalterin vorhat, hätte ich Ihnen geraten, alle Höflichkeit außer Acht zu lassen und die Einladung abzulehnen. Es war nicht …« – der Stimmgenerator sucht nach dem richtigen Wort – »… fair. Ihnen wurde schon genug Leid zugefügt.«
»Was ist schon fair?«, erwidere ich. »Das Leben ganz bestimmt nicht. Aber danke für die Anteilnahme.« Mein Eispanzer bekommt einen kleinen Sprung, was mir alles andere als recht ist. Denn dann muss ich spüren, was darunter liegt.
In diesem Moment kommt Jael um die Ecke gerannt, schön zurechtgemacht und ganz in Schwarz gekleidet. Die Blessuren in seinem Gesicht sind restlos verheilt. »Ihr wolltet mich wohl nicht mitnehmen, was?«
Ich lächle. »Ich versuch’s immer wieder, aber es klappt nie.«
Bevor er etwas erwidern kann, drehe ich mich um und gehe zum Türscanner – eine ihrer angenehmsten Technologien, wie ich finde. Statt eines Tür-Bots haben die Ithorianer eine Holo-Kamera, die jeden erfasst, der sich dem Eingang bis auf einen Meter nähert. Hält man still, wird das eigene Abbild nach drinnen projiziert, und je nachdem, ob der Besucher erwünscht ist oder nicht, öffnet der Hausbewohner. Alles sehr unaufgeregt und zivilisiert.
Ein paar Sekunden später werden wir eingelassen. Devris Behausung sieht ganz anders aus als die der Großen Verwalterin. Ich komme mir vor wie im Dschungel. Schlingpflanzen ranken sich über die Wände oder wachsen direkt aus ihnen heraus, und der Boden unter meinen Füßen gibt nach wie weicher Lehm. Die Luft hier drinnen ist schwer und feucht, ein bisschen zu warm für meinen Geschmack, und es riecht nach Blumen, deren zuckersüßer Duft sich auf meiner Zunge niederschlägt.
Sieht aus, als wäre die Party bereits in vollem Gang. Ich erkenne ein paar Ithorianer, die auch auf der Handelsbesprechung waren. Devri lässt sein weibliches Gegenüber stehen und eilt uns entgegen, um uns zu begrüßen.
»Sehr erfreut, Sie zu sehen.« Er vollführt einen beeindruckenden Wa , und ich muss an die heißen Flecken auf seinem Unterbauch denken. Ich wünschte, ich könnte seine Körpersprache genauso gut interpretieren wie Vel, dann wüsste ich vielleicht, ob er nicht doch irgendwelche finsteren
Weitere Kostenlose Bücher