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Mondglanz

Mondglanz

Titel: Mondglanz Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ann Aguirre
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könnte er sich nie verzeihen, was er nicht ist, ganz egal, wie ehrenhaft, nobel und stark er in Wahrheit ist.
    Die Dunkelheit verbindet uns. Sie verbirgt uns in unseren Sünden. Ich bitte Vel nicht rauszugehen, als ich mich auf dem Bett zusammenrolle. Schlaflos starre ich hinaus in die Stille und sehe uns beide auf Ewigkeit gefangen in Zelten, Höhlen und Raumschiffen. Nur wir beide, zusammen … allein.
    Velith sitzt neben mir und hält Wache wie ein flimmernder Stern am Firmament, zu weit weg, um mir ein bisschen Wärme zu spenden.

27
    Mit dünnen, zerbrechlich wirkenden Strahlen bricht ein neuer Tag an. Sonnenaufgänge auf Ithiss-Tor sind anders als die auf anderen Planeten, fragiler. Ich habe jetzt schon mehrmals beobachtet, wie sich das Licht über den Himmel dieser Welt ausbreitet, manchmal in sanften, durchschimmernden Farben, manchmal in sattem, derbem Rot, als hätte sich die Göttin, an die ich nicht glaube, die Pulsadern aufgeschnitten. Auf Gehenna hingegen verändert sich der Himmel überhaupt nicht. Dort herrscht entweder endlose Nacht oder endloses Licht, eine immerwährende Präsenz, die einem irgendwann das Gefühl gibt, man selbst wäre derjenige, der die Bühne zu räumen hat.
    Genauso fühle ich mich jetzt.
    Ich stehe vor einem Wendepunkt, der sich schnell nähert. Danach wird nichts mehr sein wie zuvor.
    Vel ist irgendwann gegangen. Ich muss eingeschlafen sein, auch wenn ich mich nicht daran erinnern kann, geschlafen zu haben. Ich wünschte, ich wüsste, wie ich ihn trösten kann, ihm die Schande nehmen, die er, unsichtbar wie die nicht vorhandenen Abzeichen auf seinem Chitinpanzer, mit sich herumträgt. Er schämt sich für die Nacktheit seiner Schale, wie sich ein Mensch für Narben schämt. Und dann wirkt er wieder so unglaublich selbstbewusst und sicher in allem, was er tut. Vielleicht ist es auch nur die Belastung, wieder hier zu sein. Ein Grund mehr, die Sache schnell zu Ende zu bringen, denn das Letzte, was ich will, ist, Vel unnötig leiden zu lassen.
    In ein paar Stunden warten schon wieder die nächsten Verpflichtungen auf mich. Ich werde Fragen beantworten müssen, Zweifel ausräumen und mich so beliebt machen wie irgend möglich. Doch jetzt ist es erst mal Zeit, etwas für mich selbst zu tun.
    Ich gehe zu der Verbindungstür zwischen Marschs und meiner Suite. Seit seiner Attacke habe ich sie nicht mehr benutzt. Aus Angst. Aber schlimmer können die Dinge nicht mehr werden. Insofern habe ich nichts mehr zu befürchten.
    Er kann sich nicht mehr daran erinnern, wie es sich anfühlt, mich zu lieben. Immer wieder trifft mich diese Erkenntnis, ganz tief in mir drin, an einem Ort, der so öde ist, dass dort keine Tränen sind. Ich habe keinen Namen für diesen Schmerz, weil ich noch nie eine Liebe wie diese verloren habe.
    Wir Springer sind nicht dafür gemacht, mit Verlusten umzugehen. Unsere Nervenbahnen sind ausgelegt für Abenteuer und Entdeckungen. Eigentlich sind wir unverwüstlich. Und trotzdem stehe ich hier, die feuchten Hände auf die glatte Türverschalung gepresst, und sehne mich nach meinem Liebhaber mit einem Verlangen, das einfach nicht abebben will.
    Ich will ihn zurück. Ich muss ihn zähmen wie ein wildes Tier, und ich werde die nötige Geduld dafür aufbringen. Und wenn ich dafür an seinem Gehirn herumdoktern muss, werde ich auch das tun. Also nehme ich all meinen Mut zusammen. Seit jener letzten Nacht liegt Marsch in Scherben. Nicht, weil er mich angegriffen hat, sondern weil ihn dieser Angriff weit mehr verletzt hat als mich, dessen bin ich mir sicher. Er ist wie ein tollwütiges Tier, das Freund nicht mehr von Feind unterscheiden kann.
    Ich drücke auf eine Taste, und die Tür gleitet zur Seite. Er hat sie also nicht darauf programmiert, mich nicht durchzulassen. Hoffnung. Vielleicht hat er sich doch noch nicht voll und ganz in die Vorstellung ergeben, er wäre nicht mehr zu retten.
    Marsch kann nicht schlafen, genauso wie ich. Er hockt auf der Bettkante und dreht sich nicht um, aber an der minimalen Veränderung in seiner Haltung erkenne ich, dass er mich bemerkt hat.
    »Wie schlimm ist es?«
    Zumindest das hat sich nicht verändert. Es braucht nur ein paar Worte, und ich weiß genau, was er meint.
    »Kein bleibender Schaden«, sage ich mit einem Achselzucken.
    »Dieses Mal nicht. Aber wir müssen uns voneinander fernhalten, Jax.« Leise trommelt er mit den Fingern auf seine Oberschenkel. »Diesmal gibt es kein Zurück. Und ich will nicht, dass du mitgerissen wirst,

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