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Mondglanz

Mondglanz

Titel: Mondglanz Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ann Aguirre
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Demonstranten in der Parkanlage, die mich beinahe gelyncht hätten, beispielsweise. Aber ich habe nicht die Zeit, mir zu überlegen, wer noch alles infrage kommen könnte. Erst einmal muss ich mit diesen Soldaten reden, bevor sie uns alle ohne Verhandlung in die Minen schicken. Ihre eigenen Bürger so zu behandeln, das wäre gegen das Gesetz, aber Fremde genießen hier weniger Schutz. Meine Hände zittern, als ich vor die versammelte Menge trete, und ich verschränke die Finger ineinander.
    »Ich bin zutiefst betrübt, von dem Anschlag auf Scharis’ Leben zu erfahren. Ich bringe ihm größte Wertschätzung entgegen und werde selbstverständlich mit den zuständigen Behörden rückhaltlos kooperieren, um den Attentäter zur Strecke zu bringen.«
    Vel übersetzt und poliert meine Worte noch etwas auf. Mit seinem Familienhintergrund weiß er am besten, wie er es ausdrücken muss.
    Unter den Soldaten rumort es.
    »Noch mehr Lügen!«, ruft einer.
    »Wir sollten sie alle töten und dem Iglogth überantworten«, fügt der Kommandant hinzu. »Ich wusste, dass nichts Gutes dabei herauskommen kann, wenn wir Menschen auf unseren Planeten lassen. Er wurde ihnen nicht ohne Grund schon vor langer Zeit verboten.«
    Vel richtet sich zu seiner vollen Größe auf. Mit einem Mal verströmt er eine tödliche Kälte. »Darf ich Sie daran erinnern, dass die Große Verwalterin persönlich für die Sicherheit der Delegation garantiert hat? Ich verstehe jedes Ihrer Worte, und jeder feindliche Akt gegen mich oder meine Begleiter wird Ihren sofortigen Tod zur Folge haben. Die Große Verwalterin wird nicht tolerieren, wenn ihr Wort von einem verdreckten Haufen ungebildeter Fußsoldaten missachtet wird.«
    Gib’s ihnen, Vel!
    Ich kann regelrecht sehen, wie der Kommandant kleiner wird. Er tritt einen Schritt auf uns zu und vollführt zur Entschuldigung einen kunstvollen Wa . »Ich bitte um Verzeihung, Botschafterin. Unsere Trauer hat für einen Moment die Oberhand über unser Pflichtbewusstsein gewonnen. Wir bitten Sie, diese Verletzung der Form nicht der Großen Verwalterin zu berichten.«
    »Ich teile Ihre Wut und Trauer«, antworte ich angemessen, nachdem Vel übersetzt hat, »und kann sie deshalb vollauf verstehen. Lassen Sie mich wissen, was ich tun kann, um die Untersuchung voranzubringen. Auch ich will den Übeltäter schnellstmöglich der Gerechtigkeit zugeführt sehen.« Als Abschluss mache ich eine flüssige Verneigung, um anzuzeigen, dass ich ihm auch wirklich vergeben habe.
    Diesmal übersetzt Vel Wort für Wort, ohne etwas zu ändern. Vielleicht habe ich den Bogen ja endlich raus. Trotzdem bin ich nicht sicher, ob dies eine Kunst ist, die ich wirklich beherrschen will. Marsch hat sich damals in mich verliebt, weil ich mein Herz stets auf der Zunge trug. Was immer ich dachte, sagte ich auch. Was er wohl davon halten wird, wenn ich mich zu einer Expertin im Wortverdrehen entwickle?
    Ich spüre eine Wärme in mir, wie ich sie schon seit Ewigkeiten nicht mehr gefühlt habe, und um ein Haar schreie ich laut auf. Es ist Marsch, sanft und leicht in mir wie früher. Ich muss mich mit aller Macht zusammenreißen, um meine Gesichtszüge unter Kontrolle zu halten.
    Mach dir keine Sorgen. Es spielt keine Rolle, wer du warst, wer du bist oder wer du eines Tages sein wirst. Ich bin bei dir, auf jedem einzelnen Schritt des Weges.
    Maria, wie mich diese Worte mit Glück erfüllen.
    »Alle Verhandlungen werden für den Moment auf Eis gelegt«, fährt der Kommandant fort. »Die Abstimmung wird verschoben, bis sich Ratsmitglied Scharis erholt hat und die Schuldigen gefasst sind.«
    Ich nicke. Diese Verzögerung ist genau das, was die Oppositionspartei wollte. Mittlerweile verstehen die Ithorianer, was dieses Kopfnicken bedeutet, und Vel muss es ihnen nicht erst erklären.
    »Dann, wenn Sie gestatten, Botschafterin, werde ich Sie jetzt zu den Hallen der Rechtsprechung eskortieren.«
    Normalerweise würde mich die Ausdrucksweise des Kommandanten amüsieren, aber nicht diesmal. Wir stehen schwankend am Rand eines tödlichen Abgrunds, und ich bin die Einzige, die verhindern kann, dass wir kopfüber hineinstürzen.
    Hoffentlich lässt mich mein Gleichgewichtssinn nicht im Stich.

32
    Jael trottet neben mir her wie ein anhängliches Schoßtier. Die Möglichkeit, sein großzügiges Leibwächtergehalt zu verlieren, hat ihn sichtlich erschüttert. Scharis’ Gesundheitszustand scheint ihm herzlich egal zu sein, dafür hat er umso mehr Ratschläge für mich

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