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Mondglanz

Mondglanz

Titel: Mondglanz Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ann Aguirre
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verkrampfen Kiefermuskeln, die meine Zähne vom Klappern abhalten.
    Glücklicherweise ist es nicht weit. Wortlos steigen wir mit unserer Eskorte in den Zug. Schließlich verkündet der Kommandant: »Hier werden wir aussteigen.«
    Es ist mir in Fleisch und Blut übergegangen, erst zu reagieren, nachdem Vel übersetzt hat. Also warte ich einen Moment, dann machen wir uns auf den Weg in diese »Hallen der Rechtsprechung«. Ein Lift führt vom Bahnhof direkt ins Innere, weshalb ich die Fassade gar nicht erst zu Gesicht bekomme.
    Drinnen sieht es aus wie in den meisten anderen Gebäuden auch: viel Vegetation und bunte Blüten. Der Boden gibt unter meinen Schritten nach, was für mich immer noch gewöhnungsbedürftig ist. Ich bin nun mal Beton oder Fliesen als Bodenbelag gewohnt, und diese im wahrsten Sinne des Wortes lebendige Architektur finde ich immer noch einigermaßen verstörend. Andererseits ist für die Ithorianer sicherlich unser Hang zum Unbelebten verstörend, vor allem beim Essen. Nicht umsonst nennen sie uns Aasfresser.
    Ein anderer Teil meines Gehirns fragt sich, was für Waffen das gewesen sein müssen, die ihren gesamten Planeten in ein Permafrostgebiet verwandelt haben. Ihre Physiologie ist eindeutig an tropische Bedingungen angepasst, wie sie auf Venetia Minor herrschen. Trotzdem leben sie auf Ithiss-Tor, das klimatisch eher Ielos ähnelt, und strampeln sich ab, um im Inneren ihrer Gebäude ein möglichst feuchtwarmes Klima herzustellen.
    Was mich noch mehr beunruhigt, ist, dass sie uns in verschiedene Räume bringen. Ich setze mich und lasse mir nichts anmerken, mache es mir bequem, als würde mich all das nicht kratzen. Das Wichtigste auf Ithiss-Tor ist, das Gesicht zu wahren, und wenn mir das gelingt, ist vielleicht noch was zu retten.
    »Wir möchten als Erstes mit Ihnen sprechen, Botschafterin«, teilt mir der Kommandant mit. »Deshalb wird Ihr Übersetzer zunächst hierbleiben.«
    Um ein Haar hätte ich genickt, bevor Vel übersetzt. Ich merke es gerade noch rechtzeitig und bleibe regungslos sitzen, als wäre ich taub. Schließlich gebe ich zu erkennen, dass ich verstanden habe, und der Kommandant spricht weiter:
    »Danach wird Velith Il-Nok in einem anderen Verhörraum erwartet. Wir werden Sie nur so lange festhalten, bis wir den Aufenthaltsort Ihrer engsten Begleiter festgestellt haben. Aller Wahrscheinlichkeit nach werden wir letztendlich jedoch mit der gesamten Schiffsbesatzung sprechen müssen.« Der Kommandant unternimmt nicht einmal den Versuch, mich zu beruhigen, und vollführt einen knappen Wa . »Der Vernehmungsoffizier wird bald hier sein.«
    Nachdem er mit seinen Leuten abgezogen ist, sehe ich mich um. Nur eine einzige Tür, keine Fenster. Trotzdem fühle ich mich ein bisschen wie in einem Erholungspark. Die samtweichen Blätter, auf denen ich sitze, wirken irgendwie beruhigend, und der süßliche Duft, der mir an allen öffentlichen Orten aufgefallen ist, schmeichelt auch hier meiner Nase.
    Andererseits fühle ich mich extrem beengt, als würde mir all das Lebendige um mich herum das bisschen Sauerstoff in dem winzigen Raum wegatmen. Mit einiger Anstrengung gelingt es mir, mich wieder zu beruhigen. Es ist jetzt nicht der richtige Moment, um mir vorzustellen, wie sich die Wände aufeinander zubewegen, oder mir den Geruch von brennendem Fleisch ins Gedächtnis zu rufen.
    »Wie schlimm ist unsere Lage?«, flüstere ich Vel zu.
    »Das hängt von zahlreichen Faktoren ab.« Natürlich will er mal wieder keine Prognose wagen, so als würde ich ihm danach Vorhaltungen machen, falls er sich getäuscht hat.
    »Und die wären?«
    »Wenn einer von uns das Verbrechen begangen hat«, antwortet er gemessen, und ich bin überrascht, dass er tatsächlich das Wörtchen uns gebraucht, »stehen die Chancen schlecht, den Planeten wieder verlassen zu können. Wir kamen in Frieden und wurden in Frieden aufgenommen. Wenn einer von uns Scharis vergiftet hat, werden sie alle dafür bestrafen wollen, ganz gleich, wie ungerecht das erscheinen mag. Menschen genießen auf Ithiss-Tor keine Rechte.« Er spreizt die Klauen. »Ich werde alles in meiner Macht Stehende tun, um sie zu überzeugen, dass nur der Schuldige zur Rechenschaft gezogen werden sollte, aber ich kann für nichts garantieren.«
    Sieht ja in der Tat ziemlich trostlos aus, aber ich glaube immer noch nicht, dass jemand aus meiner Crew so etwas tun würde. Alle wissen, wie wichtig diese Mission ist. Selbst die, die Tarns Geheimbericht nicht gesehen

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