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Mondherz

Mondherz

Titel: Mondherz Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christiane Spies
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    Die nächsten zwei Tage vergingen für Veronika in unruhigem Warten, während vor ihren Fenstern die Belagerung ihren Lauf nahm. Der Ring des türkischen Heers hatte sich inzwischen unverrückbar um die Stadt geschlossen. Türkische Truppen fällten Bäume, rodeten Büsche und hoben Erdwälle aus, hinter denen sie später ihre Kanonen in Stellung bringen würden. Bald bedeckten unterhalb des Belgrader Hügels weiße Zelte die Ebene wie frisch gefallener Schnee. Bis zur Donau hinunter und die Einmündung der Save entlang erstreckte sich ihr Lager, und auf beiden Flüssen warteten unweit der befestigten Hafenmündung angriffsbereit die türkischen Galeeren. Belgrad tat nichts, um den Lagerbau der Türken zu verhindern. Michael hatte jedoch die drei Männer seines Wolfsrudels als Späher in den Wachtürmen eingesetzt. Ihre übermenschlich scharfen Augen behielten das Geschehen stets im Blick. Auch Veronika verbrachte Stunden am Fenster und beobachtete die Krieger mit ihren roten und weißen Turbanen, die mehr als zwei Pfeilschussweiten entfernt ihre Waffen ölten und über offenem Feuer Schafe und Ochsen brieten. Das Vieh war offenkundig dem Besitz unschuldiger Bauern entrissen worden. Kalter Hass erfüllte Veronika, wenn sie den Türken bei ihren Mahlzeiten zusah und sich an die Rauchfahnen erinnerte, die inzwischen erloschen waren, die letzten Lebenszeichen der überfallenen Dörfer.
    Die Flüchtlinge aus diesen Dörfern füllten währenddessen Belgrads Straßen. Es waren nur wenige waffenfähige Männer darunter und umso mehr Frauen und Kinder, deren hungrige Mäuler schon jetzt der Stadtbevölkerung zur Last fielen.
    Je länger Veronika das feindliche Heer beobachtete, desto mehr Sorge erfüllte sie. Am zweiten Morgen postierte sich ein türkischer Reitertrupp in Sichtweite, um Kampfübungen mit riesigen Krummsäbeln durchzuführen. Es waren grimmig dreinblickende Männer mit Schnurrbärten, Filzkappen und hohen Schaftstiefeln, und sie erkannte in ihnen die Janitscharen, so wie Miklos sie ihr beschrieben hatte. Die osmanischen Elitekrieger stürmten mit ihren Rössern über die Ebene aufeinander zu, als wollten sie die Erde unter sich zermalmen, und einen Moment vor dem unabwendbar scheinenden Zusammenstoß standen sie so abrupt still, dass Ackerstaub wie Rauch vom Boden aufwirbelte. Ihre Kampfschreie wurden begleitet von einer gewaltvollen Musik aus Trommeln und Flöten. Veronika konnte nicht verhindern, dass Angst wie eine mächtige Flut über sie hereinbrach und alle klaren Gedanken wegschwemmte, obwohl sie wusste, dass die Janitscharen genau dies bei ihren Zuschauern beabsichtigten. Ihr ging nicht aus dem Kopf, dass Gábor diesem martialischen Kriegertrupp des Sultans einmal angehört hatte. Wie wenig kannte sie ihn doch! Sie wollte nicht an ihm zweifeln. Aber war es nicht allzu gutgläubig, ihm zu vertrauen? Konnte sie wirklich annehmen, dass er noch die zerbrechliche Seele eines Menschen hatte, nun, da sie das dämonische Gebaren der Janitscharen mit eigenen Augen sah? Trotz der Sommerhitze wurde ihr kalt, und sie schlang die Arme um sich. Ja, sie wollte es glauben, und sie wünschte nichts inständiger herbei als Gábors Ankunft. Seine und die des christlichen Heeres, das zur Rettung Belgrads so dringend benötigt wurde.
     
    Am nächsten Morgen erwachte sie vom Lärm der Kirchenglocken. Noch nie hatte sie alle Glocken gleichzeitig vernommen, und ihr Läuten vermengte sich zu einem schrillen Missklang, der die ganze Stadt erschütterte.
    Sie sprang von ihrer Bettstatt auf, hastete durch den Raum und riss das Fenster auf. Die Glocken verstummten, und es war ruhig, gespenstisch ruhig.
    Sie beugte sich hinaus und sah die Türken wie ein Meer aus Menschen und Eisen vor der Festung stehen. In der Morgendämmerung glitzerten die Kanonen, Turbane leuchteten weiß wie die Gischt brechender Wellen, und weiß leuchtete auch der Halbmond auf ihren Flaggen. Die Verteidiger unter Michaels Führung warteten regungslos auf den Festungsmauern.
    Plötzlich brüllte einer der türkischen Befehlshaber mit heiserer Stimme seinen Männern einen Befehl zu. Das Heer antwortete mit einem Schrei, der furchterregender war als alles, was Veronika bisher gehört hatte.
    »Allahu akbar!«
    Der Schrei strich über Mauern und Dächer wie ein Wind direkt aus der Hölle.
    »Allahu akbar!«
    Der Schlachtruf der Türken wandelte sich zu einem Wutgeheul, die Kapellen der Janitscharen stimmten ihre rohe Trommelmusik an. Hörner

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