Mondlaeufer
der Residenz sicher nicht willkommen, doch weder Kiele noch Lyell konnten es ablehnen, als ihr Prinz ihnen seine Dienste anbot. Clutha war zufrieden nach Hause zurückgekehrt, denn sein Knappe war kein gewöhnlicher Knappe.
Riyan war der einzige Sohn von Lord Ostvel von Skybowl, und er war Lichtläufer. Mit zwölf Jahren war er zu Clutha geschickt worden, damit man einen Ritter aus ihm machte. Zwei Jahre später war er in die Schule der Göttin gekommen, um Faradhi zu werden. Vergangenen Sommer war Riyan, jetzt neunzehn Jahre alt, nach Meadowlord zurückgekommen, damit man ihn dieses Jahr auf dem Rialla zum Ritter schlagen konnte. Wenn er auch in der Schule der Göttin der Knappe von Lord Urival gewesen war, so konnte doch nur ein Ritter einen Ritter erziehen – und Urival war keiner. Deshalb würde Clutha ihm den Ritterschlag und ein neues Schwert geben. Danach sollte er zu Lady Andrade zurückkehren und seine Ausbildung als Lichtläufer fortsetzen.
Lord Maarken hatte seine Ritterschaft und seine Ringe auf andere Weise erworben. Die Ausbildung junger Herren, die zugleich Faradh’im waren, war etwas gänzlich Neues, und Andrade erprobte ganz offen verschiedene Möglichkeiten ihrer Ausbildung. Schon bald würde die Entscheidung fallen, wie Prinz Pol weiterlernen sollte. Würde er mit Lleyn und Chay nach Graypearl zurückkehren, oder würde er wie Riyan seine Knappenzeit zugunsten einer früheren Faradhi-Ausbildung verkürzen? Die Entscheidung war noch offen.
Riyan wusste recht gut, dass sein Weg ein Experiment war, aber es machte ihm nichts aus. Ihm gefielen beide Seiten seiner Erziehung, und er freute sich ohne alle Bedenken darauf, als Lichtläufer auf Skybowl zu herrschen. Maarkens Sorgen schob Riyan mit einem Achselzucken beiseite. Er verstand Maarkens Probleme, doch er teilte seine Befürchtungen nicht. Erstens war die Macht, die er als Athri von Skybowl haben würde, viel kleiner als die von Maarken als Herr von Radzyn. Gut, er würde die Goldhöhlen unter sich haben, doch um die politischen Angelegenheiten der Wüste und der Prinzenmark würden sich andere kümmern. Außerdem nahm er seinen Status als Faradhi viel selbstverständlicher an als Maarken. Im Gegensatz zu Lord Chaynal hatte Ostvel nie Vorbehalte dagegen gehabt. Riyan nahm es Chay nicht übel; Menschen, die nie unter Lichtläufern gelebt hatten, betrachteten sie mitunter etwas misstrauisch. Doch sein eigener Vater hatte seine Kindheit und Jugend in der Schule der Göttin verbracht; Ostvel verstand Faradh’im .
Riyan wollte seinem Prinzen dienen und nicht selbst regieren. Maarken würde über Radzyns große, unabhängige Besitztümer herrschen müssen, Pol beim Regieren helfen, wichtige Staatsfragen entscheiden und notfalls Armeen anführen. Riyans Zukunft hingegen sah ganz anders aus. Seine Mutter Camigwen hatte auf Stronghold die Schlüsselgewalt innegehabt, war jedoch auch Sioneds beste Freundin gewesen – mehr Schwester als Dienerin. Ostvel verwaltete Skybowl für Rohan, nicht für sich selbst. Rohan hatte versucht, ihm wie seinen anderen mächtigen Vasallen das Land als Eigentum zu übertragen. Doch Ostvel hatte das abgelehnt. Skybowl gehörte Rohan. Ostvel herrschte hier als treuer Diener seines Prinzen. Wenn Riyan an die Reihe kam, würde er dasselbe tun – sowohl als Athri wie auch als Lichtläufer.
Solche gewichtigen Dinge hatte er allerdings nicht im Kopf, als er in dieser Nacht in seinem Zimmer in Waes saß. Er dachte einfach über die Möglichkeiten nach, eine gewisse Kaufmannstochter näher kennenzulernen. Das Mädchen und sein Vater hatten ihn in seinen ersten Tagen in Waes ein bisschen herumgeführt, als er die Hafenstadt erkundete. Jayachin hatte hinreißendes blauschwarzes Haar, ihre Augen waren so tiefblau, dass sie schon purpurfarben wirkten, und ihre Haut war hell wie das Mondlicht. Riyan war ein großer Verehrer des anderen Geschlechts, besonders wenn ein Mädchen über seine Witze lachte und seinen Annäherungsversuchen auch längere Zeit widerstand. Jayachins Vater hatte dafür gesorgt, dass er zu solchen Versuchen bisher keine Gelegenheit gefunden hatte. Doch Riyan wusste, dass der Kaufmann es durchaus als Ehre betrachtete, dass seiner Tochter von dem Erben von Skybowl, einem Freund des Prinzen Pol, der Hof gemacht wurde.
Riyan beabsichtigte, Jayachin morgen zu fragen, ob sie mit ihm aufs Land hinausreiten würde. In den letzten Tagen war es kühl gewesen, und ein starker Wind vom Meer hatte zur Verzweiflung der
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