Mondlaeufer
aber sie ist schlau wie eine Versammlung von Seidenhändlern und würde keine Silbe sagen, die Euren Anspruch erhärten könnte.«
»Dann liegt also alles bei mir. Ich muss ihm und Palila ähnlich genug sehen und sagen, was Ihr und Lyell mir vorgebt. Ich muss mich also benehmen, als würde ich ein braver, berechenbarer Prinz sein, wenn ich erst mal auf der Felsenburg lebe«, sagte Masul mit einem wölfischen Grinsen.
Sie hatte vorgehabt, ihn als Trumpf auszuspielen, doch er hatte offensichtlich seinen eigenen Kopf. Das würde natürlich hilfreich sein, um die anderen zu überzeugen, doch sie argwöhnte, dass sein Dank für ihre Hilfe nur so lange anhalten würde, wie er für seinen Weg in die Felsenburg brauchte.
»Ich bin bereit für meine Lektion, Schwesterherz«, sagte er und setzte sich wieder.
Sie starrte ihn über die Kerzenflamme hinweg lange an. »Masul, habt Ihr Euch jemals einen Bart wachsen lassen?«
»Nein.«
»Tut das. Aus drei Gründen. Erstens haben viele Männer mit dunklen Haaren rötliche Bärte, und das würde uns helfen. Zweitens müssen wir Euch bis zum Rialla verstecken, und dabei wäre ein Bart nützlich. Ihr würdet älter wirken.«
»Und drittens?«
Sie lachte über ihre brillante Idee. »Stellt Euch nur vor: Ihr kommt mit einem Bart zum Rialla . Alles, was sie sehen werden, sind Eure Augen. Sie sind denen meines Vaters tatsächlich sehr ähnlich. Wenn wir Euch dann nachts den Bart abnehmen, dann erwarten sie bereits, Roelstra in Eurem Gesicht zu erkennen, und werden eine größere Ähnlichkeit feststellen, als wirklich da ist.«
Masul war einen Augenblick verblüfft, dann lachte er laut: »Beim Herrn der Stürme! Ausgezeichnet, Schwesterchen, ganz ausgezeichnet.«
»Ich habe noch nichts davon gesagt, dass ich wirklich Eure Schwester bin«, erinnerte sie ihn. Ihre Worte hatten die gewünschte Wirkung. Er sah zuerst mordlustig und dann trotzig drein, doch schließlich beschloss er, sie für sich zu gewinnen. Sie erhob sich zufrieden. Er würde noch härter an sich arbeiten, um seine Identität zu beweisen – und ihre mögliche Duldung würde sehr wichtig für ihn sein, weil er sie so schwer errungen hatte. Das würde sein Zutrauen in seine Fähigkeit, auch andere zu überzeugen, erhöhen. Nicht dass er noch mehr Selbstvertrauen brauchte, überlegte sie, während sie ihren Mantel wieder umlegte. Doch sie begann bereits, ihn durch ihre Zweifel und ihre Anweisungen zu beherrschen. Er würde willig tun, was sie ihm befahl.
»Werdet Ihr mich bis zum Rialla hier versteckt halten?«, fragte Masul.
Sie lächelte, denn sein Satz bestätigte, dass ihre Herrschaft über ihn bereits begonnen hatte. »Wenn es hier erst einmal sauber ist, ist es gar nicht so schlecht. Aber wenn es im Spätsommer voll wird in der Stadt, lasse ich Euch auf einen kleinen Gutshof außerhalb der Stadtmauern bringen.«
»Dorthin, wo Ihr Eure Liebhaber trefft?«, meinte er.
Sie holte aus, um ihn zu schlagen, doch er fing lachend ihr Handgelenk ab. »Wagt das nicht!«, zischte sie. »Lasst mich los!«
»Eine so schöne Frau wie Ihr wird bestimmt viele Liebhaber haben – das ist doch so bei Euch Herrschaften, und besonders bei Roelstras Brut! Wie viele hatte Ianthe, ehe sie starb? Es ist wirklich traurig, dass Ihr meine Schwester seid, Schwesterchen!«
Sie riss sich von ihm los. »Fasst mich nie wieder an!« Sein Grinsen und seine spöttische Verneigung machten sie wütend. Sie riss die Tür auf, warf sie hinter sich ins Schloss und hastete die Stufen hinunter. Unten gab sie nur den kurzen Befehl, dass das Haus vor ihrem nächsten Besuch ordentlich zu putzen sei, warf der Frau einen weiteren Beutel Gold dafür zu und eilte aus diesem grässlichen Haus in die kühle Nachtluft hinaus, die ihre glühenden Wangen wie ein Eissturm traf.
Beim Gehen beruhigte sie sich wieder etwas und erkannte, welcher Schreck einen Teil ihres Ärgers verursacht hatte. Seine Unterstellung und sein Angebot, dass auch er gern ihr Liebhaber wäre, waren ungeheuer unverschämt – er war halb so alt wie sie und obendrein vielleicht ihr Bruder. Doch etwas anderes machte ihr Angst. Sie hatte schon früher Lust in Männeraugen gesehen, doch als sie diese in Masuls grünem Blick erkannt hatte, waren Erinnerungen in ihr hochgekommen. Roelstra hatte Palila – und viele andere schöne Frauen – so angesehen. Kühn, anmaßend, arrogant und ganz sicher, dass er nur mit dem Finger schnippen musste, um sie sofort in seinem Bett zu haben. Nicht nur
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