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Mondlaeufer

Mondlaeufer

Titel: Mondlaeufer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Melanie Rawn
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über die Schriftrollen, Lady Merisel und die Geschichte der Lichtläufer erzählt hat, was er als Erster weiß und was seit Hunderten von Jahren vergessen war? Wenn er nicht so ein verdammt guter Übersetzer wäre, würde ich sie ihm wegnehmen und es jemand anders machen lassen. Aber er hat eine rasche Auffassungsgabe und will unbedingt lernen.«
    »Er hungert nach Wissen wie früher Sioned – doch ohne ihre Demut.«
    »Wann war das Mädchen je demütig? Sie und Rohan haben sich mir seit dem Tag ihrer Hochzeit widersetzt! Sie hat ihre Faradhi -Ringe seit Jahren nicht getragen. Nur diesen verwünschten grünen Smaragd! Demütig?« Andrade lachte bitter.
    »Ihr habt heute Abend sehr schlechte Laune.«
    »Ich weiß.« Mit einer Hand machte sie eine entschuldigende Geste. Ringe und Armbänder glänzten im Feuerschein. »Sioned hat wenigstens eine gesunde Furcht vor der Macht ihres Wissens. Andry fürchtet überhaupt nichts – außer mir. Und das nicht mehr lange.«
    »Andrade! Er ist wie sie, denn auch er lässt sich aus Liebe einen Weg zeigen. Aber nicht durch Angst.«
    »Ich habe ihm keinen Grund gegeben, mich zu lieben. Ich hatte das auch nie vor – bei keinem von ihnen. Ich will nicht, dass sie mich anbeten. Es ist nicht nötig.«
    »Wenn sie für dich kämpfen und arbeiten sollen …«
    »Lass es, Urival!«
    »Wie du wünschst, Herrin«, sagte er, doch in seiner Stimme schwang deutliche Missbilligung.
    Andrade hörte, wie sich die Tür schloss, und widerstand dem Wunsch, mit irgendetwas um sich zu schmeißen. Sie war zu alt für diesen Unsinn, zu alt, um mit den Handlungen, Beweggründen und Gefühlen so vieler Menschen herumzujonglieren. In ihrer Jugend hatte sie ihre Macht genossen; später hatte sie sie mit höchstem Geschick ausgespielt. Jetzt aber war sie dieses Spiels müde geworden. Sie war die Verantwortung, das Pläneschmieden und die Pflicht leid, alle im Auge zu behalten und dafür zu sorgen, dass keiner aus der Reihe tanzte.
    Doch ihre Angst überwog sogar ihre Müdigkeit. Andry würde aus der Reihe tanzen. Er würde mit den Zaubern auf den Schriftrollen das tun, was sie befürchtet hatte: Er würde sie benutzen.

Kapitel 12
    Es war dem Hoheprinzen einfach nicht möglich, unerkannt zu reisen, doch auf seinem Ritt durch die Prinzenmark machte Rohan doch zumindest den Versuch. Kein Drachenbanner kündigte an, wer die acht Reiter waren; die Wachen trugen keine Uniform mit prinzlichen Abzeichen, sondern nur eine einfache Tunika; die Pferde waren ohne jede Pracht aufgezäumt; jeder Bauer oder Wirt, bei dem sie hielten, wurde bezahlt, obwohl einem Prinzen überall in seinem Reich freie Unterkunft und Verpflegung zustand.
    Aber wenn Rohan auch nicht als Hoheprinz auftrat, so machte er doch keinen Hehl aus seiner Identität, wenn die Leute ihn mit seinem Titel ansprachen. Die Nachricht von seiner Reise schien sich schneller zu verbreiten als Faradhi -Botschaften auf dem Sonnenlicht. Andrade würde angesichts der stillen Kunst dieser Menschen vor Neid erblassen. Was Rohan anging, so wusste er zu schätzen, dass er allen Pomp hinter sich gelassen hatte. Er hasste es, wenn große Umstände gemacht wurden, und hatte es schon als Kind verdächtig gefunden, wenn Leute in seiner Gegenwart allzu dienstfertig herbeieilten. Sehr großer Aufwand sollte gewöhnlich etwas kaschieren, damit er es nicht bemerkte. Dieses Volk hieß ihn jedoch herzlich und offen willkommen. Es hatte vor seinem Prinzen nichts zu verbergen. Rohan schrieb dies dem gesunden Menschenverstand der Bevölkerung und Pandsalas fähiger Regentschaft zu. Würde sie in Pols Namen schlecht regieren, so hätten die Menschen alles gehasst, was mit ihm zu tun hatte, aber auch versucht, das hinter geheuchelter Begeisterung zu verbergen.
    Die Unterbringung war unterschiedlich. Manchmal übernachteten sie in schönen Gasthauszimmern; gelegentlich rollten sie ihre Decken in einer Scheune aus; ziemlich oft verbrachten sie die Nacht im Freien unter dem Sternenzelt, wenn sie bei Einbruch der Dämmerung noch auf der Straße waren. Mal aßen sie in einer Schenke, mal gab es Suppe bei einem Bauern, mal griffen sie zu ihrem Proviant oder gingen ein paar Stunden auf die Jagd.
    Sie ritten, wie es ihnen gefiel, besuchten bekannte Wahrzeichen und abgelegene Täler und wichen viele Längen vom Weg ab, um berühmte Orte zu sehen, die ihre Gastgeber ihnen empfohlen hatten. Es gab spontane Wettrennen über Blumenwiesen und Ausflüge in die Berge, wo sie in eisigen

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