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Mondlaeufer

Mondlaeufer

Titel: Mondlaeufer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Melanie Rawn
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ersten Mal so entsetzt hatte, und auf Worte, die er ohne Schwierigkeiten übersetzen konnte.
    Die Hexenkunst .

Kapitel 2
    Pandsala, Regentin der Prinzenmark und Tochter des einstigen Hoheprinzen Roelstra, blickte voller Zorn auf den Brief auf ihrem Tisch. Ein Leben ohne ihre Schwestern wäre für sie sicher viel einfacher gewesen. Siebzehn Töchter hatte ihr Vater gehabt. Zehn waren zwar zum Glück inzwischen verstorben – einige an der Seuche von 701, andere erst später –, doch es waren noch immer zu viele übrig, als dass sie unbesorgt sein konnte.
    Die Überlebenden waren allein durch ihre Existenz schon eine Strafe. Briefe wie der, den sie gerade vor sich hatte, kamen immer wieder in der Felsenburg an. Bitten um Geld, um einen Gefallen, um ein gutes Wort beim Hoheprinzen Rohan und vor allem Bitten, das Haus ihrer gemeinsamen Kindheit besuchen zu dürfen. Pandsala hatte die ersten fünf Jahre ihrer Regentschaft damit zugebracht, ihre Schwestern mit mancherlei Methoden aus der Felsenburg zu vertreiben. Sie dachte gar nicht daran, auch nur eine von ihnen zurückkehren zu lassen, nicht einmal für einen Tag.
    Aber es war die Jüngste von ihnen, die überhaupt noch nie in der Felsenburg gewesen war, die Pandsala jetzt Verdruss bereitete. Selbst wenn Chiana jedes Wort in der planvollen Absicht geschrieben hatte, ihre mächtige Halbschwester zu beleidigen, hätte sie diese nicht mehr verärgern können. Sie setzte eine Vertrautheit voraus, die Pandsala abstieß; sie gab sich selbst sogar den Titel »Prinzessin«, als wäre ihre Mutter, Lady Palila, Roelstras Frau gewesen und nicht nur seine Mätresse. Chiana war in Waes geboren und an verschiedenen Orten aufgewachsen, die ersten sechs Jahre sogar in der Schule der Göttin. Offensichtlich zog sie es vor zu vergessen, dass auch Pandsala in jenen sechs Jahren dort gelebt hatte und ihren Charakter sehr genau kannte. Ihre seltenen Begegnungen sowie Chianas Briefe waren Beweis genug, dass sie sich nicht verändert hatte. Mit beinahe einundzwanzig war ihre arrogante Selbstsucht schlimmer denn je. In ihrem Brief deutete Chiana an, dass sie durchaus bereit sei, Pandsala mit ihrer Anwesenheit zu beehren, sollte diese sie für den Sommer in die Felsenburg einladen. Doch Pandsala hatte sich schon vor langer Zeit geschworen, dass Chiana keinen Fuß in diese Burg setzen würde, solange sie dort etwas zu sagen hatte.
    Einige der anderen Schwestern hatten Chiana reihum aufgezogen, nachdem Lady Andrade sich geweigert hatte, sie wieder in die Schule der Göttin aufzunehmen. Zuerst hatte Lady Kiele von Waes, die dort verheiratet war, das Mädchen zu sich genommen. Doch irgendwann war Chiana ihr zu anspruchsvoll geworden, und nachdem Prinzessin Naydra Lord Narat geheiratet hatte, hatte Kiele Chiana in Port Adni abgeladen. Die Insel Kierst-Isel war ein ausgezeichneter Platz gewesen, da er so weit entfernt lag, wie Pandsala es gerne hatte. Doch nach einigen Wintern war selbst Naydras Geduld erschöpft. Um diese Zeit hatte Lady Rabia, Chianas wirkliche Schwester, Lord Patwin von den Catha-Höhen geheiratet, und das Paar hatte das heimatlose Mädchen eingeladen, bei ihnen zu leben. Als Rabia im Kindbett starb, war Chianas Zeit dort abgelaufen, und sie hatte wieder in Waes gelebt, bis Kiele sie bei dem Versuch erwischte, Lord Lyell zu verführen. Jetzt schrieb sie von Naydras Küstenschloss aus.
    Pandsala schaute grimmig auf den Titel »Prinzessin« und den großzügigen Federstrich, mit dem Chiana unterschrieben hatte. Sie wusste sehr genau, warum das Mädchen in die Felsenburg kommen wollte: damit Chiana am Ende des Sommers auf dem Rialla ganz selbstverständlich zu Pandsalas Gefolge gehören würde und sich an alle Prinzen und deren unverheiratete Erben heranmachen konnte. Wenn sie auch kein Land besaß, so würde Rohan sie doch mit einer beachtlichen Mitgift versehen, wie er es bei allen ihren Schwestern bei deren Hochzeit getan hatte. Außerdem machte schon allein ihre Schönheit sie zu einer begehrten Partie. Aber Pandsala würde ihre verhasste kleine Schwester nie im Leben unterstützen.
    Sie schrieb eine kurze, deutliche Absage und unterzeichnete mit ihren eigenen Titeln und ihrer Unterschrift. Dann lehnte sie sich in ihren Stuhl zurück, sann über diese Worte nach, die ihre Macht kennzeichneten, und dachte an ihre anderen Schwestern. Von den vier Töchtern, die Roelstra mit seiner einzigen Ehefrau gehabt hatte, lebten nur noch sie und Naydra. Lenala war an der Seuche gestorben,

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