Mondlaeufer
nervös, und er wollte ihre Gesellschaft lieber meiden.
Er schüttelte dies Gefühl ab, als er den Fluss erreichte. Kurze Zeit bewunderte er dessen stilles, sternenübersätes Fließen. Auf der Straße nach Waes hatte man kein Wasser überqueren müssen, sodass es ihm erspart geblieben war, die entsprechende Übelkeit vorzutäuschen. Er war froh, dass er nicht auf einen reichlich unangenehmen Trick hatte zurückgreifen müssen. Mireva hatte ihm viel beigebracht, doch Andrade und sein wachsender Ehrgeiz lehrten ihn mehr. Er fand den Nervenkitzel, beide Frauen gleichzeitig zu täuschen, ausgesprochen aufregend. Er war der erste Nachkomme des alten Bluts, der die alten Methoden und auch die der Faradh’im beherrschen lernte. Das Rialla bot unzählige berauschende Gelegenheiten, wenn dieser gefährliche Mann erst beseitigt war.
In ausreichendem Abstand vom Lager fand er eine Flussbiegung und ging so weit hinaus, wie er konnte. Seine Stiefel knirschten auf dem feinen Kies. Er blickte zu dem weiten Sternenhimmel über dem Fluss hoch und fand Trost in seinem Glanz. Er passte die Lichtläufer-Methoden auf das Weben der feinen, zarten Fäden silbernen Lichts an, was kein Faradhi außer Prinzessin Sioned je getan hatte. Es gab keine Farben in diesem Gewebe, nur die glänzende Blässe der Sterne. Er hatte es von der Schule der Göttin aus nie gewagt, mit Mireva auf diese Weise Kontakt aufzunehmen, was angesichts der eigenmächtigen Änderung ihrer Pläne, zu der er sich entschlossen hatte, sicher das Beste gewesen war. Als er auf dem glitzernden Pfad aus verflochtenem Licht nach Norden zum Veresch glitt, vergrub er seine Geheimnisse unter einigen Schichten Gehorsam. Und vergaß fürs Erste, wohin er den Spaten gelegt hatte.
Sie stand allein in der Mitte des Steinkreises. Vielleicht stand sie erst kurz dort, oder sie wartete schon seit Tagen. Immerhin hatte sie gesagt, sie würde beim Rialla jede Nacht warten. Segev wickelte sein Seil aus Sternenlicht um den Felsen und sah zu, wie er silbern zu schimmern begann.
Sehr eindrucksvoll. Andrade hat dich gut unterrichtet.
Lag da nicht ein leiser Hinweis auf einen Verdacht in ihrer Stimme? Segev verfluchte sich, dass er mit seinen Fähigkeiten hatte angeben müssen.
Ihr habt mich zum Lernen hingeschickt, Herrin. Und ich habe Euch viel zu erzählen. Eilig berichtete er von der gegenwärtigen Gefahr und schloss mit der dringenden Bitte, ihn vor der drohenden Entdeckung zu schützen. Es würde ihr gefallen, dass er so sehr davon abhängig war, dass sie ihn rettete.
Er konnte fast hören, wie sie zischend den Atem durch die Zähne stieß. Zur Hölle! Wie konnten sie nur so dumm sein? Meinen Befehlen wird gehorcht, nicht vorgeeilt! Sie sollten ihn beobachten und nicht töten! Aber jetzt wird dieser Tölpel sterben. Er wurde von mir vorbereitet, ehe er ging. So wie du, Segev. Merk dir das gut.
Er erbleichte. Vorbereitet? Die Warnung durchlief seine Adern wie ein eisiger Gebirgsbach unter einer winterlichen zugefrorenen Schneedecke. Ja, Herrin , erwiderte er demütig. Es gibt noch mehr. Wollt Ihr es gleich hören?
Sie gab keine Antwort. Er sah, wie sie sich vor dem Felsen leicht vor und zurück wiegte. Ihre Arme waren ausgebreitet und ihr Gesicht zu einer schrecklichen Grimasse verzerrt. Nach einigen schwachen Herzschlägen sprach sie wieder.
Fertig. Jetzt erzähl.
Er gehorchte und berichtete ausführlich, wie ihn Andrade als Faradhi- Schüler angenommen hatte, wie sein Versuch, die Schriftrollen zu stehlen, fehlgeschlagen war und wie er Hollis erfolgreich dranath süchtig gemacht hatte. Mirevas Augen leuchteten auf, während sie zuhörte, und sie lachte, als er ihr vom Tod des Lichtläufers Kleve erzählte.
Herrlich! Unterstütze diesen ›Thronfolger‹ nach Kräften, wenn er im Frühling auch zu blöd war, unser Angebot, ihm zu helfen, anzunehmen. Was ist mit den Schriftrollen?
Sie sind hier, bei Urival. Sie wissen aber nicht, dass ich es weiß. Aber ich hatte Zugang zu dem Ort, wo man sie aufbewahrte, und am Tag unserer Abreise waren sie fort. Urival lässt seine Satteltaschen jetzt nie aus den Augen. Aber am Ende des Rialla werde ich die Schriftrollen erwischen.
Ausgezeichnet! Ihre graugrünen Augen glitzerten, und einen Augenblick lang glich sie dem schönen, jungen Mädchen, das ihn gelehrt hatte, ein Mann zu sein. Ich werde alles über das Sternenlicht beobachten, Segev. Warte auf die nächste mondlose Nacht, wenn die Faradh’im nicht weben können.
Er kehrte eilig
Weitere Kostenlose Bücher