Mondlaeufer
zurück an die Ufer des Faolain. Dort zitterte er vor Erleichterung. Er hatte einen viel größeren Test bestanden als alles, was Lady Andrade sich ausdenken konnte. Und er hatte sich aus einer Gefahr gerettet, obwohl er nicht unbedingt darüber nachdenken wollte, wie Mireva den Mann nun losgeworden war. Er erinnerte sich daran, dass sie Kräfte besaß, von denen er keine Ahnung, ja nicht einmal eine Vorstellung hatte. Er schluckte, als ihm das gefährliche Wort vorbereitet wieder einfiel.
Doch als er wieder an die Sternenrolle dachte, spielte ein Lächeln um seine Lippen. Wenn sie endlich in seinen Händen war, würde er sie sicher nicht Mireva überlassen. Er hatte sie sich verdient; ihm würde sie gehören.
Während sie darauf warteten, dass der Gefangene hereingeführt wurde, sah Urival Andrade lange und eindringlich an. Er sagte kein Wort, sondern sah sie nur an, bis sie als Antwort eine Grimasse schnitt.
»Worüber wir uns hier so verstohlen unterhalten«, sagte sie zu Rohan und Sioned, »ist der Inhalt der Schriftrollen, die Meath uns dieses Frühjahr aus Dorval gebracht hat. Ich habe auch meine kleinen Überraschungen auf Lager. Hollis, Ihr habt an den verwünschten Dingern gearbeitet. Berichtet bitte dem Hoheprinzen davon.«
»Die Schriftrollen enthalten hauptsächlich Geschichtsberichte«, erklärte Hollis. »Andry hat den größten Teil der Übersetzung angefertigt, das war schwierig wegen der vielen falschen Fährten und kleinen Hinweise, die wir manchmal übersahen, bis irgendwann viel später etwas keinen Sinn mehr ergab. Und wir sind keineswegs auch nur annähernd fertig mit allem. Aber sie erzählen, dass die Lichtläufer eine große, alte Festung auf der Insel verlassen haben und auf den Kontinent gekommen sind, um sich einer Gruppe von Zauberern entgegenzustellen.«
»Klingt mehr nach Geschichten für Kinder«, sagte Rohan.
»Oh, diese Menschen waren aber echt, Hoheit! Besonders Lady Merisel. Es gab Zeiten, wo Andry geschworen hätte, er könne ihre Gegenwart in der Schule der Göttin spüren.« Sie zögerte und fuhr dann fort. »Und jene anderen, die die Faradh’im hier bekämpfen wollten, die waren auch echt. Manches von dem, wozu sie fähig waren, war unseren Faradh’im -Methoden sehr ähnlich, aber …«
»Aber ohne unsere Ethik«, schloss Andrade spöttisch.
Hollis schien nicht zu wissen, was sie darauf antworten sollte. »Anscheinend haben sie über sehr viele Menschen und Orte geherrscht und wollten die Macht über den gesamten Kontinent, und die alten Faradh’im haben ihre Abgeschiedenheit in Dorval verlassen, um sie zu bekämpfen. Die Schriftrollen sind recht eindrucksvoll, Hoheit.«
Andrade brummte bei dieser Untertreibung. »Ich hätte wissen sollen, dass es sie aufmuntern würde, über ihr Lieblingsthema zu reden«, sagte sie zu Urival. »Während der ganzen Reise hat sie freiwillig keine zwei Worte gesagt, und auf einmal bekommen wir sie nicht mehr still.«
Die junge Frau lächelte. »Ich musste mich nur etwas ausruhen, Herrin.«
»Und einen Blick auf Maarken erhaschen, hmm?«, lachte Sioned. »Verzeiht mir, aber er ist nicht sonderlich dezent, nicht wahr? Und jetzt bitte Schluss mit dem ›Hoheit‹. Hollis, wenn Ihr sonst keine Familie habt und wenn Ihr erlaubt, würde ich stolz darauf sein, von Euch als Faradhi- Schwester akzeptiert zu werden, sobald Ihr ihn heiratet.«
Hollis riss ihre blauen Augen auf. »Hoheit! Ich …«
Rohan zwinkerte ihr zu. »Auch der Höchsten Prinzessin entgeht nicht viel.«
»Ich habe mit Maarken gewettet, dass ich die Dame seines Herzens auf Anhieb erkennen würde«, erklärte Sioned lächelnd. »Es war nicht schwer!«
Hollis sah völlig sprachlos von einem zum anderen. Schließlich stammelte sie ein paar Worte der Dankbarkeit.
»Das ist also erledigt«, seufzte Andrade, »wenn auch sonst nichts geschafft ist. Geht schlafen, Hollis. Ich möchte mich mit Rohan und Sioned unterhalten. Und dieser Gefangene von Euch müsste doch eigentlich auch bald auftauchen?«
Hollis verneigte sich und ließ sie allein. Sioned nickte befriedigt. »Sie wird Maarken sehr glücklich machen.«
»Ihr lernt langsam meine Künste«, klagte Andrade sie mit rauer Zuneigung an. »Woher wusstet Ihr das? Hat er es Euch verraten?«
Sioned konnte nur eine verschmitzte Miene aufsetzen, als auch schon Tallain am Eingang des weißen Zelts erschien. »Herr, er ist da. Allerdings nicht besonders freiwillig, nachdem er hörte, wen er hier sehen soll.«
»Angst vor der
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