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Mondlaeufer

Mondlaeufer

Titel: Mondlaeufer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Melanie Rawn
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beherrschen, als er eintrat und Hollis sah. Doch Pol vergaß schon wieder seine Manieren.
    »Er war nicht bei Tante Tobin und Onkel Chay«, berichtete der Junge. »Er war mit Lady Chiana in seinem Zelt.«
    Maarken wurde rot. So dankbar er seinem Cousin kurz zuvor gewesen war, jetzt hätte er den Flegel erwürgen können. Rohans Lippen zuckten vor kaum unterdrückter Heiterkeit, und Sioned hustete, um ihr Lachen zu verbergen. Andrade sah an Maarken auf und ab und verweilte kurz unterhalb seines Gürtels. Hollis aber zeigte überhaupt keine Reaktion. Sie stand mit Andry und einem großen, schwarzhaarigen jungen Mann ein wenig entfernt. Maarken kannte ihn nicht. Unter ihren großen, blauen Augen lagen dunkle Ringe. Sie sah dünner aus, und die zähe Energie, die sie normalerweise ausstrahlte, schien irgendwie getrübt.
    »Gut«, sagte Andrade und brach damit die lastende Stille. »Du hast also ein eigenes Zelt, ja? Chay muss dir Whitecliff gegeben haben, und das wurde auch Zeit.«
    »Hat er, Herrin.« Maarken verbeugte sich vor ihr.
    »Bietet mir denn keiner einen Platz an?«, beschwerte sie sich. »Außerdem könnte ich etwas zu trinken vertragen.«
    Maarken und Andry taten ritterlich ihre Pflicht, während Pol und der dunkelhaarige Junge weitere Stühle brachten. Hollis sank mit einem tiefen Seufzer auf ihren, und der Junge stellte sich beinahe besitzergreifend beschützend hinter sie.
    »Gute Reise gehabt?«, flüsterte Maarken seinem Bruder zu, als sie Wein ausschenkten.
    Andry zog eine Grimasse. »Ein höllischer Ritt. Frag mich bloß nicht noch mal.«
    Als ihre Eltern eintraten, hielten sie mit dem Wein inne. Andrade wartete, bis sie Andry begrüßt hatten, dann wies sie ihnen Stühle zu, als wäre man in ihrem Zelt, nicht in dem von Rohan und Sioned. Doch alle waren ihre Art längst gewöhnt.
    »Sorin hat heute Pflichten bei Volog und kann nicht kommen«, sagte Chay, als er sich setzte. »O Göttin! Ahnt ihr überhaupt, wie deprimierend das ist? Keiner meiner Söhne muss mehr zu mir aufsehen! Das ist ungerecht. Sie haben so klein angefangen!«
    »Vielleicht schrumpft Ihr einfach infolge wachsender Altersschwäche«, gab Andrade zurück. »Ich hoffe, der Verfall hat bei euch allen noch nicht das Hirn erreicht. Was habt ihr jetzt vor, wo Masuls wahrer Vater tot ist?«
    Rohan lehnte sich zurück. »Dir entgeht kaum etwas, oder?«
    »Meine Augen und Ohren mögen alt sein, mein Junge, aber sie tun noch ihre Pflicht. Was gedenkt ihr zu tun?«
    »Das würde ich lieber von dir hören. Dein Lichtläufer Kleve hatte für dich ein Auge auf Kiele gehabt, nicht wahr? Was hat er herausbekommen?«
    Es kam selten vor, dass jemand die Herrin der Schule der Göttin verblüffen konnte. Maarken sah Hollis an, um mit ihr einen amüsierten Blick über Andrades Erstaunen auszutauschen. Doch Hollis starrte nur auf ihren Wein, den sie noch nicht angerührt hatte, und der schwarzhaarige Junge kam ihr noch näher.
    »Was weißt du über Kleve?«, wollte Andrade wissen.
    So vorsichtig wie möglich sagte er: »Wir haben heute eine Nachricht und einen Beweis erhalten, dass er tot ist. Sie haben ihm die Ringe von seinen Fingern genommen, indem sie die Finger selbst abgeschnitten haben, Andrade. Er starb wahrscheinlich für etwas, das er wusste. Hast du eine Idee, was das war?«
    Andrades Gesicht zeigte keinerlei Regung. Nach ein paar Augenblicken flüsterte sie: »Nein. Ich … ich wusste, dass er tot ist. Riyan hat es mir gesagt. Aber er hat nicht gesagt, wie es passiert ist.« Sie riss sich zusammen und nahm einen tiefen Schluck Wein. »Kleve ist tot – und sein Wissen mit ihm. Masuls wahrer Vater ist tot – und seine Aussage mit ihm. Das hast du nicht besonders gut hingekriegt, Rohan.«
    Pol hatte hinter den Stühlen seiner Eltern gestanden und mit großen Augen zugehört. Jetzt aber richtete er sich auf und trat bei diesem beleidigenden Ausspruch gegen seinen Vater stirnrunzelnd einen Schritt vor. Maarken hätte ihm sagen können, er solle sich seinen Ärger sparen. Andrade redete nun mal mit jedem so.
    Sie bemerkte es, wie sie alles bemerkte. »Meath sagte mir, du kannst Feuer herbeirufen«, sagte sie unvermittelt zu dem Jungen.
    »Das kann ich, Herrin.«
    »Was kannst du denn noch, das man dir nie beigebracht hat?«
    »Ich weiß es nicht«, erwiderte Pol kühl. »Ich habe es nie ausprobiert.«
    Sie stieß ein bellendes Gelächter aus. »Du bist der Sohn deines Vaters, schon gut.«
    »Und meiner Mutter«, fügte Pol hinzu. Maarken

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