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Mondlaeufer

Mondlaeufer

Titel: Mondlaeufer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Melanie Rawn
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wollen. Ich wusste nicht …«
    Hollis setzte sich auf und zog ihre Kleider eng an ihren Körper. »Danke, Sejast«, sagte sie mit bewundernswerter Ruhe. »Das war sehr aufmerksam von Euch.«
    »Stellt alles hin und geht«, fügte Maarken hinzu. Der Junge ließ die Tasse und die Kerze fast fallen, während er eilig gehorchte.
    »Verzeiht mir, Herr, Herrin …«
    »Schon vergeben«, sagte Hollis freundlich, und er schluckte. Doch als Maarken den Arm um sie legte, flackerte etwas in den Augen des Jungen – etwas, wodurch er älter wirkte als er war, und sehr gefährlich. »Ist schon gut, Sejast«, sagte sie, und er lief davon.
    Maarken merkte, wie sie sich ihm wieder entzog, und sah, dass sie ihr Mieder mit einer Entschlossenheit zuschnürte, die sein Herz schwer machte. Der Augenblick war vorbei und war kaum zurückzuholen. Er hatte den dringenden Wunsch, jenen dummen Bengel zu erwürgen, stand aber stattdessen auf und brachte Hollis ihre Tasse.
    Sie nahm einen Schluck und sah ihn über den Rand hinweg an. »Er macht einen besonderen Trank und bringt ihn mir jeden Abend um diese Zeit. Ich hatte gerade erst die erste Tasse geleert, als du kamst. Es hilft, wenn ich müde bin.«
    »Eigentlich müsste ich wohl dankbar sein, dass er sich um dich kümmert. Andry sagt, er sei dein Schatten geworden. Aber ich muss sagen, dass ich seinen Geschmack mehr bewundere als sein Gefühl für den richtigen Moment.«
    »Er ist nur ein süßer Kerl, der glaubt, er wäre in mich verliebt. Das Leben schenkt uns nicht so viel Zuneigung, dass wir es uns leisten könnten, sie auszuschlagen, wenn sie angeboten wird. Egal aus welchem Grund. Außerdem möchte ich ihn nicht verletzen, Maarken. Er wird schon noch erwachsen werden.«
    »Damit sollte er sich lieber beeilen.«
    »Oh, nun sei aber nicht dumm.« Sie reichte ihm ihre Tasse als Friedensangebot.
    Er nahm einen großen Schluck, der ihm die Zunge verbrannte; dann noch einen und gab sie dann zurück. »Ich sollte zu Andrade zurückgehen. Falls du nicht willst, dass ich bleibe.« Bitte, sag, dass ich bleiben soll , baten seine Augen.
    Sie starrte in die leere Tasse. »Ja, du hast recht. Du solltest zurückgehen.« Sie machte eine Pause und holte tief Luft. »Ich wollte dich nicht kränken. Es ist bloß … Ich kenne keinen von euch, und sie kennen mich nicht. Es gibt so viel Macht in deiner Familie, so viele Spielarten der Macht. Verstehst du, dass es schwierig für mich ist, mich als Teil von euch zu verstehen?«
    »Sie müssen nur Gelegenheit haben, dich kennenzulernen, dann werden sie dich genauso lieben wie ich.«
    »Bitte dräng mich nicht«, flüsterte sie hilflos, doch sie sah ihn noch immer nicht an.
    Er wollte ihr Gesicht in seine Hände nehmen und sie zwingen, ihn anzuschauen. »Also gut. Aber wir gehören zusammen, Hollis. Wir haben einander erwählt.« Er küsste sie aufs Haar und ließ sie allein.
    Er ging nicht in den weißen Pavillon zurück, sondern lief zum Fluss hinunter, wo er sich auf einen großen Felsen setzte und blind in das dunkle Wasser starrte. Sein Körper verlangte flehentlich nach Hollis, und sein Kopf schmerzte, als hätte er zwei Flaschen Wein getrunken, nicht eine halbe Tasse harmlosen Tee.
    Als alle, auch Sioned, das weiße Zelt verlassen hatten, setzte sich Rohan wieder. Die Anspannung des Tages pulsierte immer noch in seinem Körper. Sie hatte seine Muskeln verhärtet. Doch während er nur müde war, sah Andrade regelrecht verhärmt aus. Der Schein des Kohlenbeckens betonte die tiefen Falten um ihren Mund und auf ihrer Stirn. Sie hatte so viele Leben gelenkt und so viele Schicksale beeinflusst, auch sein eigenes. Sie hatte ihm Sioned geschickt.
    Urival saß neben ihr. Seine goldbraunen, fast erdfarbenen Augen lagen tief umschattet unter seinen Brauen. Beide Faradh’im sahen schrecklich alt aus.
    »Sioned kann Bruchstücke der Zukunft im Feuer beschwören«, sagte Rohan plötzlich. »Könntest du auch die Vergangenheit heraufbeschwören?«
    Andrade atmete heftig aus, und Urivals Augen wurden schwarz. Ihre Hand griff nach seiner und schloss sich fest um sie. Rohan fragte sich auf einmal, warum er noch nie bemerkt hatte, dass die beiden ein Liebespaar waren, und das wohl schon, ehe er überhaupt geboren war.
    »Ich habe mich oft gefragt, ob du diesen kleinen Trick von mir oder von dir selbst hast«, meinte Andrade schließlich so kühl wie eh und je. »Schmier nie Honig drauf, wenn sie es auch so schlucken würden, hm?«
    »Wir sind alle müde.« Rohan

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