Mondlaeufer
notwendig hielt, ihm etwas davon zu sagen. Aus seiner Langeweile erwuchs die grimmige Entschlossenheit, etwas zu tun. Einfach irgendetwas.
Am vierten Morgen des Rialla lud seine Tante Tobin immer zum Frühstück ein. Fast alle waren da und futterten wie halb verhungerte Drachen. Die Gruppen waren im frühen Sonnenlicht zwischen den Zelten verstreut, und Pol strich zwischen ihnen herum, wobei er mürrisch auf einem mit Wurst und Trockenfrüchten gefüllten Kuchenstück herumkaute. Alle Prinzen und Athr’im , alle Damen und Knappen verbeugten sich, wenn er vorbeikam. Aber sie waren in ihre eigenen Gespräche vertieft. Eigentlich beachteten sie ihn gar nicht. Selbst seine eigene Familie war zu beschäftigt, um ihm mehr als ein Lächeln zu gönnen. Sein Vater beriet sich mit Lleyn und Chadric; seine Mutter unterhielt sich mit Miyon, während Tobin gezielt Chiana dorthin schleuste und sie dann dort stehen ließ. Chay und Sorin redeten mit Lord Kolya über Pferde; Andry stand ernst und verschlossen neben Volog und Alasen von Kierst, und Maarken eilte zwischen dem Büfett und dem Platz von Hollis, Andrade und diesem seltsamen, schwarzhaarigen Burschen hin und her, um seiner Liebsten mit irgendwelchen Köstlichkeiten Appetit zu machen. Pol sah sie an und fühlte sich verraten. Er war nicht blöd, er würde keine Geheimnisse hinausposaunen, und eines Tages würde er Hoheprinz sein. Aber trotzdem hatte keiner von ihnen daran gedacht, ihn in die wichtigen Angelegenheiten und Pläne einzuweihen, die um ihn herum ausgebrütet wurden wie Dracheneier. Im Moment hätte er selbst Sionells lästige Gesellschaft begrüßt; sie hätte ihn wenigstens beachtet.
Er schlenderte zu Ostvel hinüber, der an der mittleren Feuergrube hockte, wo immer neues Essen gekocht wurde. Obwohl er inzwischen Herr von Skybowl war, übernahm er auf dem Rialla doch stets seine alten Pflichten als Haushofmeister von Stronghold. Jetzt fluchte er leise, als er sich mit dem Feuer abmühte. Man hatte neues Holz gebracht, um die Flammen wieder anzufachen, doch die Scheite entzündeten sich nur langsam. Aus einer plötzlichen Eingebung heraus machte Pol wie beiläufig eine Geste. Flammen loderten auf, verzehrten das Holz und entlockten Ostvel erneut einen Fluch.
Auf einmal merkte Pol, dass die Leute ihn anstarrten; einige wichen sogar mit großen Augen vor ihm zurück. Er lächelte sie alle überaus freundlich an. Sollen sie das doch auch übersehen, sagte er sich.
»Hilft das ein wenig?«, fragte Pol Ostvel in seinem unschuldigsten Tonfall.
Der Herr von Skybowl erhob sich mit grimmigem Gesicht. »Mach das ja nicht noch mal«, stieß er gepresst hervor.
Pols Freude über seinen Streich löste sich in Luft auf. Noch nie hatte Ostvel in diesem Tonfall mit ihm gesprochen oder ihn gar mit solcher Missbilligung angesehen. Er versuchte, sein Unbehagen mit einem Schulterzucken abzutun, und drehte sich um, um sich wieder der Gesellschaft anzuschließen. Doch die Neuigkeit war flüsternd durch die Menge gelaufen, und jetzt waren alle Augen auf ihn gerichtet, auch die seiner Eltern. Ihre Augen blitzten ihn in kaltem Grün und noch eisigerem Blau an. Unvermittelt stand Pol im Mittelpunkt und fühlte, wie seine Wangen heiß wurden, als sich erst sein Vater, dann seine Mutter abwandten.
Doch dann fiel sein Blick auf Masul, der mit Kiele, Lyell und Cabar von Gilad bei einem Baum stand. Das Gesicht des angeblichen Kronprinzen war so weiß, wie Pols inzwischen rot war. Der Junge betrachtete den Rest der Versammlung, während die Leute ihre Unterhaltung wieder aufnahmen. Wahrscheinlich sprachen sie jetzt in gedämpftem Ton über ihn. Die Röte wich von seinen Wangen. Egal was seine Eltern davon hielten, er hatte es jedenfalls geschafft, Masul daran zu erinnern, dass er nicht nur einen Prinzen herausforderte, sondern auch einen Lichtläufer.
Und dann kam Pandsala zu ihm herüber und rettete ihn aus seinem Alleinsein, sodass er sie zum ersten Mal wirklich nett fand. Während sie einfach harmlos über das Wetter redete, entspannte sich Pol allmählich. Schließlich führte sie ihn zu Gemma und dem alten Prinz Chale hinüber, der nur mit viel Selbstbeherrschung die Anwesenheit von Pols Vettern, Kostas und Tilal, ertrug. Tilal grinste ihn an, während Chale eine Bemerkung über das ausgezeichnete Essen machte. Nach einer Verneigung vor Gemma fasste Tilal gleich darauf Pol am Arm und zog ihn für ein privates Schwätzchen zur Seite.
»Nicht gerade das Schlaueste, was dir da
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