Mondlaeufer
Länder herrschen …«
Inzwischen war Tilals Hand um das eingepackte Schwert weiß geworden. Er hatte genug gehört. Er ließ Pol los und schlüpfte durch eine Lücke in den Sträuchern. Zitternd vor Wut folgte ihm Pol. Er sah, dass sich die beiden Brüder auf der kleinen Lichtung gegenüberstanden.
»Vier Zeugen von tadelloserem Ruf als dem deines eigenen Bruders und des Sohns des Hoheprinzen?« Seine Stimme fuhr wie ein Schwert in Kostas’ Rücken. Der ältere der Brüder wirbelte herum; seine Augen glühten vor Wut. »Wie kannst du es wagen?«, zischte Tilal. »Verdammt, Kostas, lass sie in Ruhe, bevor ich vergesse, dass du mein Bruder bist!«
Statt zu antworten, zog Kostas sein Schwert. Tilal zerrte an der Verpackung der Waffe, die er für seinen Vater gekauft hatte. Gemma war geistesgegenwärtig genug, nicht zu schreien; stattdessen warf sie sich zwischen die beiden. Eine mutige Handlung, die Pol jedoch ärgerlich machte. Er ging vor, nahm sie am Arm und schob sie aus dem Weg.
»Sie werden nicht kämpfen, Herrin«, sagte er laut und deutlich, nicht so sehr an sie, sondern an seine Cousins gerichtet. »Denn wenn sie es tun, wird man überall in den Prinzenreichen von mir etwas darüber hören. Steck deine Waffe weg, Kostas. Sofort. Tilal, wenn du noch einen Knoten aufmachst …«
Wütend wollten sich die Brüder gegen ihn wenden. Pol bemerkte, dass sein Zittern sich tief in seinen Körper zurückgezogen hatte. Seine Hände und seine Stimme waren gefasst und seine Knie fest. Er fühlte sich zugleich mächtig und verwundbar. Sein Wille und seine Persönlichkeit rangen mit dem Ärger, doch er war durch dieses seltsame innere Zittern auch verwundbar, eine Warnung, die er nicht verstand. Ob sein Vater sich je so fühlte? War es das, was es ausmachte, Hoheprinz zu sein?
Macht hatte er wirklich, und das war sowohl aufregend als auch erschreckend. Kostas stieß sein Schwert in die Scheide zurück; Tilals Kampfbereitschaft ließ etwas nach. Auf einmal war es Gemma, die zitterte und deren Atem stoßweise ging.
»Möchtet Ihr diesen Mann der Vergewaltigung anklagen, Herrin?«, fragte Pol kühl.
Sie schüttelte den Kopf, wobei ihr glänzendes, kastanienfarbenes Haar ihr über Hals und Wangen fiel. »Nein, Hoheit. Das will ich nicht.«
»Eine kluge Entscheidung, Herrin.« Sein Griff lockerte sich, und er sah die beiden Brüder an. Es gab nichts Traurigeres, als wenn zwei ansonsten ganz vernünftige Männer um eine Frau kämpften. »Ihr wollt sie also beide.«
Tilal funkelte ihn an und drehte sich weg. Kostas sah aus, als wenn er wieder sein Schwert ziehen würde, diesmal aber gegen Pol. In ihm wuchs das berauschende Gefühl, seinen Willen gegen ihren durchzusetzen – zusammen mit der Angst, was geschehen würde, wenn er sie doch nicht beherrschen konnte.
»Hat einer von euch eigentlich mal Gemma gefragt, was sie will? O süße Göttin, was für ein Pärchen!«, schnaubte Pol. »Herrin, wollt Ihr einen von diesen zwei Tölpeln?«
Sie entzog ihm ihre Hand, strich sich das Haar aus dem Gesicht und richtete sich stolz auf. »Die Wahrheit, Hoheit? Ja. Es ist aber nicht Kostas, den ich zum Gatten möchte.«
»Und als Prinz von Ossetia«, erinnerte Pol sie. »Tilal, hörst du zu? Sieh mich an. Frag sie!«
»Nein!«, schrie Kostas. »Ich verbiete es!«
Pol seufzte. »Tilal, ich warte.«
Der junge Herr von River Run drehte sich abrupt um. Er war noch immer wütend. »Ich hoffe, es macht Euch Spaß, Hoheit!«, sagte er böse. »Ja, ich will sie! Ich habe sie immer geliebt! Aber ich will sie jetzt nicht heiraten, wenn …«
Warum waren angeblich erwachsene Männer nur so unglaublich dumm? »Du verspielst deine Chance, Tilal. Frag sie jetzt. Oder nie.«
Kostas stieß einen unartikulierten Schrei aus und warf sich auf seinen Bruder. Die beiden wälzten sich auf dem Boden herum. Sie dachten nicht mehr an Schwerter und Messer, weil sie es jetzt eher auf einen Faustkampf, gebrochene Knochen und blutige Kiefer abgesehen hatten.
Pol sah einen Moment lang zu. Er fühlte sich zutiefst abgestoßen. Sie würden einander wohl keinen nennenswerten Schaden zufügen, da sie sich körperlich gewachsen und viel zu wütend waren, um während ihrer Schlägerei darüber nachzudenken. Doch als Kostas einen kräftigen Tritt landete, rief Gemma, die sich an Pols Schulter klammerte, entsetzt Tilals Namen.
Pol schüttelte sie ab und konzentrierte sich darauf, Feuer zu beschwören. Nicht viel – gerade genug, um die beiden zu erschrecken.
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