Mondlaeufer
Ein ansehnliches Feuerchen von der Höhe eines nahen Busches züngelte rotgolden aus einem Stein empor. Gemma stieß einen halberstickten Schrei aus. Tilal und Kostas reagierten heftiger; sie fuhren auseinander und kamen auf die Füße. Das geballte Gefühl von Macht in Pol entwirrte sich und sandte erregende Schauer durch seinen Körper. Doch gleichzeitig ermahnte ihn die Vorsicht. Er begann diese kühle, leise Warnung zu schätzen und als wichtigen Teil der Macht zu verstehen.
»Also«, sagte er so gelassen, wie es jetzt wohl auch sein Vater getan hätte, »können wir uns jetzt wie zivilisierte Menschen benehmen? Gut. Tilal, die Prinzessin und ich warten immer noch.«
Zufrieden mit den Fortschritten von Chiana, Miyons Aufmerksamkeit auf sich zu ziehen, wenn auch ärgerlich über die kleine Vorstellung ihres Sohnes, kehrte Sioned nach Tobins Frühstück in den Pavillon zurück. Sie wollte ein paar ruhige Minuten in ihrem eigenen Zelt verbringen. Doch Andrade und Pandsala waren bereits vor ihr eingetroffen.
»Bitte nicht«, warnte Sioned, während sie in einen tiefen Sessel sank. »Rohan hat heute Nacht schlecht geschlafen und ich demzufolge auch. Und ich bin gerade dabei, mir eine wirklich gute Ausrede für ihn einfallen zu lassen, wie er es vermeiden kann, Pol den Hintern versohlen zu müssen.«
»Ach, das.« Andrade fegte den Streich des Jungen mit einer Handbewegung beiseite. »Ehrlich gesagt, hat mich seine Selbstkontrolle beeindruckt. Sioned, wir müssen aber über ein paar Dinge reden, die nicht warten können.«
»Vergebt mir, Hoheit«, warf Pandsala leise ein.
»Entschuldigt Euch ein andermal«, unterbrach Andrade sie. »Sioned, Ihr habt in all den Jahren die meisten meiner Pläne durchschaut. Aber jetzt ist es an der Zeit, alles zu vollenden, wofür ich gearbeitet habe. Und damit auch alles, was Ihr und Rohan immer wolltet.«
Sioned merkte, wie sie sich versteifte, als ein Verdacht sich in ihr regte, und versuchte bewusst, sich zu entspannen. »Das ist nicht notwendigerweise dasselbe«, bemerkte sie vorsichtig.
»Unsinn. Letzten Endes wollen wir alle dasselbe. Und es gab noch nie eine bessere Gelegenheit dafür. Ihr könnt in diesem Jahr natürlich nicht alles unter Eurer Fahne festschreiben. Trotzdem rückt es schon greifbar nahe: Rohan selbst hat damit angefangen, als er den Herren von Kierst und Isel zuredete, ihre Kinder zu verheiraten. Wenn Volog und Saumer tot sind, wird dieser Junge – wie heißt er noch? Arlis –, er wird beide Prinzenreiche erben. Und er ist mit Pol verwandt; das macht die Sache perfekt. Pol könnte Kierst-Isel ebenso gut selbst regieren.«
Sioned murmelte: »Nur weiter.«
»Was Ossetia angeht – wenn wir Gemma mit Kostas verheiraten, dann werden auch Ossetia und Syr von Pols Verwandtschaft beherrscht. Was könnte es Besseres geben?«
»Noch mehr?«, fragte Sioned leise.
»Ja, Hoheit«, antwortete Pandsala. »Firon. Wenn es Teil der Prinzenmark wird, dann habt Ihr den Glashandel in der Hand. Und ein weiteres Prinzenreich. Und Port Adni. Lord Narat hat keinen Erben. Bei seinem Tod wird sein Besitz an Volog fallen und dadurch zu Arlis’ Reich gehören. Und Waes. Wenn dieser Hochstapler erst einmal entlarvt ist, können wir mit Kiele und Lyell abrechnen. Dann wird Waes wieder Clutha gehören.« Sie zögerte einen Moment und fuhr dann entschlossen fort. »Ich schlage das Gleiche für alle anderen vor, die Masul unterstützen. Man kann ihnen nicht erlauben, ihre Prinzenreiche zu behalten, nachdem sie Pols Anspruch so hartnäckig angezweifelt haben, denn sie werden immer Feinde bleiben. Man kann ihnen nicht trauen. Es gibt genügend loyale, junge Männer in Eurer Familie und bei Euren Anhängern, die Prinzen von Cunaxa, Gilad, Grib und Fessenden werden können, die anscheinend die wichtigsten Gegner sind.«
»Seid Ihr in allem derselben Meinung?« Sioned begegnete Andrades kalten, blauen Augen.
»O ja«, antwortete sie und nickte.
»Aha«, sagte Sioned. »Wenn ich Euch richtig verstehe, sollten wir folgendermaßen vorgehen: Als Erstes sollten wir Firon schlucken, egal, was andere dazu sagen. Zweitens sollten wir eine Hochzeit arrangieren, die die beiden Prinzenreiche unter meinem Neffen vereinigt, egal, was die beiden Beteiligten denken oder fühlen. Drittens sollten wir den Herrn von Waes samt seiner Frau enteignen, weil sie sich geirrt haben, was offenbar ein Verbrechen ist, damit wir Clutha die Stadt mit unseren besten Wünschen schenken können. Oh, natürlich
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