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Mondlaeufer

Mondlaeufer

Titel: Mondlaeufer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Melanie Rawn
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Tobin?«
    »Ganz gut. Sie wusste die ganze Zeit, was los war. Sie ist stärker, als sie weiß oder auch nur ahnt«, fügte er mit einem wehmütigen Schulterzucken hinzu. Dann fing er sich wieder. »Ich kann einfach nicht glauben, dass Andrade von uns gegangen ist.«
    »Ich auch nicht«, murmelte Ostvel.
    »Normalerweise kann ich Rohans Gedankengänge ziemlich gut erraten, auch wenn ich meistens genau einen halben Schritt hinter ihm herhinke. Aber diesmal weiß ich beim besten Willen nicht, was er machen wird.« Chay schüttelte den Kopf. »Ich kann einfach nicht glauben, dass sie von uns gegangen ist«, wiederholte er.
    Ostvel hielt es für das Beste, erst einmal das Thema zu wechseln. »Riyan ist jetzt bei Davvi?«
    »Was? Oh? – Nein, er ist mit Andry in den Zelten der Lichtläufer. Sorin wird die Nacht über bei ihnen bleiben. Maarken hat sich in seinem eigenen Zelt verkrochen und tut so, als wolle er schlafen.« Chay zog eine Grimasse. »Ich wünschte, ich wüsste, was in ihm vorgeht. Sein Mädchen ist wirklich reizend, und Andry sagt auch, dass sie perfekt zu Maarken passt. Aber wenn sie ihn liebt, so habe ich zumindest nichts davon bemerkt. Was soll’s. Sie müssen es wohl unter sich ausmachen.« Er blinzelte zum östlichen Himmel hinauf. »Nicht mehr viel übrig von der Nacht.«
    »Ich wünschte, es wäre mehr. Ich sehe dem Morgen ohne Freude entgegen.«
    »Was meint Ihr – wird sie wohl hier verbrannt oder in der Schule der Göttin?«
    »Ich weiß es nicht. Urival wird das entscheiden müssen. Aber ich glaube nicht, dass er schon zu irgendwelchen Plänen fähig ist.« Er fasste Chay locker am Arm. »Und das werden wir auch nicht sein, wenn wir nicht wenigstens versuchen, etwas Schlaf zu bekommen.«
    »Ostvel, ich kann nicht einmal anfangen, an irgendwelche Pläne zu denken – außer an Schlachtpläne.«
    Andry lag schlaflos und voller Furcht in seinem kleinen, weißen Zelt. Nicht einmal die Anwesenheit seines Zwillingsbruders konnte ihn trösten. Er war es gewesen, der Alasens Farben erkannt hatte. Und es war auch nicht Sioned gewesen, die sie vom Rest getrennt hatte. Das hatte Andry selbst getan. Trotz des Schocks und der Qual, die seinen Geist zu zerreißen drohten, hatte er gesehen, wie das strahlende Muster von Alasen sich aufzulösen begann, und Panik hatte jedes andere Gefühl in ihm beiseitegedrängt. Er hatte gespürt, auf welche Weise Sioned Pol aus dem Chaos gerettet hatte; sein Instinkt hatte es wahrgenommen. Die Anstrengung, die entsetzte Alasen zu besänftigen und ihre Farben zusammenzuhalten, hatte ihn all seine Kraft gekostet. Das Nächste, was er wusste, war, dass man ihm unter der Führung von Sorin den Hügel hinuntergeholfen hatte. Die besorgte, beruhigende Stimme seines Bruders war zu ihm durchgedrungen.
    Er konnte dessen ruhiges Atmen auch jetzt neben sich hören, ein wacher Rhythmus, kein schlafender wie der von Riyan im anderen Bett. Andry setzte sich langsam auf und legte beide Hände an seinen pochenden Kopf.
    »Leg dich wieder hin, du Dummkopf«, flüsterte Sorin sofort an seiner Seite. Andry tastete nach der warmen Hand seines Bruders. »Was ist los, Andry? Alles in Ordnung?«
    Andry schien das plötzliche Zittern, das seine Glieder erfasste, nicht beherrschen zu können. »Ich – ich werde bloß nicht warm«, stammelte er.
    Sorin zog eine weitere Decke vom Fußende des Bettes heran. »Hier, wickel dir die um. Besser?«
    »Ja«, log er.
    Sorin hockte sich neben ihn, als Andry sich wieder hinlegte. »Ich habe einen Knappen losgeschickt, um nach den anderen zu fragen. Allen geht es wieder einigermaßen gut. Aber es heißt auch, dass ihr Lichtläufer euch morgen wohl so fühlen werdet, als hättet ihr eine viertätige Reise auf offener See hinter euch.« Er drückte fest Andrys Finger. »Bei der Göttin, du hast mich wirklich erschreckt!«
    Andry überließ sich ganz der festen, gesunden Gegenwart seines Bruders. Allmählich wichen die Visionen aus seinem Bewusstsein. Sie versanken in geheimen Tiefen, aus denen sie nur in Albträumen wieder aufsteigen würden. »Bleibst du hier?«, fragte er, ohne sich der drängenden Bitte in seinem Tonfall zu schämen.
    »Natürlich. Zum einen hat Vater es befohlen. Und zum anderen – glaubst du, ich würde dich je verlassen, wenn du so verwundet bist?«
    Andry erinnerte sich an eine Szene vor langer Zeit, als sie beide noch sehr klein gewesen waren und das Sonnenlicht plötzlich seinen Geist und seine Gaben mit schmerzhafter Intensität

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