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Mondlaeufer

Mondlaeufer

Titel: Mondlaeufer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Melanie Rawn
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fort.
    »NEIN!«
    »Herrin!«
    Sie saß senkrecht im Bett und starrte zitternd und verwirrt den Jungen an, der neben ihr stand. Er hielt eine Kerze in der Hand. Die Flamme tanzte hell über sein dunkles Haar und in seinen Augen: grün wie die von Roelstra, grün wie die des Thronräubers, aber auch wie die von Sioned. All die Gesichter schoben sich über seines, und Ianthe erschien lachend über allen anderen. Pandsala fuhr vor ihm zurück. »Ww… wer bist du?«, hauchte sie.
    »Ich heiße Sejast, Herrin«, sagte er, und beim Klang seiner Stimme verschwanden die anderen Gesichter. Das war also kein Traum mehr. Da stand nur ein Junge mit einem einzigen Faradhi- Ring am Mittelfinger seiner rechten Hand.
    »Verzeiht, dass ich Euch in Euren Privatgemächern störe, aber – aber ich wurde geschickt, um nachzusehen, ob es Euch vielleicht schlecht geht nach alldem, was heute Abend geschehen ist.«
    »Es geht mir ganz gut«, sagte sie und ärgerte sich, dass ihre Stimme so dünn und schwach klang.
    »Ich freue mich, das zu hören, Herrin«, erwiderte er mit scheuem Lächeln. »Einige andere fühlen sich ziemlich schlecht. Aber Ihr seid wohl viel stärker als sie.«
    »Dir scheint es auch nicht so viel ausgemacht zu haben.« Sie setzte die Füße auf den Boden und strich ihr Haar glatt zurück. »Bist du so überaus stark?«
    Er wurde rot. »Ich bin nicht so begabt, Herrin. Wenn es Euch gut geht, dann gehe ich, damit ihr Euch ausruhen könnt.«
    »Wartet.« Sie langte nach seinem Arm, und er half ihr auf die Beine. Er war wohl nichts anderes als ein besorgter, respektvoller Schüler. »Gebt mir etwas zu trinken.«
    Er gehorchte, während sie zu einem nahen Stuhl ging. Sie trank durstig, denn der Wein sollte die letzten Schatten ihres Traums wegspülen.
    »Soll ich Euch einen Arzt rufen, Herrin?«
    »Nein.« Es ging ihr jetzt besser. Sie straffte die Schultern und sah ihn genauer an. Sie überlegte, woher sie ihn kannte. »Bist du nicht der Junge, der Lady Hollis dient?«
    »Ich habe die Ehre, Herrin.«
    »Aha.« Jetzt, wo sie ihn eingeordnet hatte, entspannte sie sich. Das hier war kein Schatten, nur ein freundlicher, hilfsbereiter Junge, der nett gewesen war – und der besser nichts darüber verlauten lassen sollte, was er vielleicht gehört hatte. »Ich habe geträumt«, erklärte sie, »als du hereinkamst und mich geweckt hast. Ich habe dich sicher erschreckt.«
    »Nicht halb so sehr wie ich Euch, Herrin.« Er lächelte wieder. »Ich hörte Euch aufschreien und dachte, es wäre besser, Euch aufzuwecken.«
    »Vielen Dank. – Es war kein schöner Traum«, fügte sie trocken hinzu. Sie war erleichtert, dass sie offenbar nichts Verfängliches gesagt hatte. »Und danke für deine Aufmerksamkeit, Sejast. Du kannst jetzt gehen. Es geht mir wieder besser.«
    »Sehr gut, Herrin. Aber ruht Euch doch bitte noch aus. Ihr seht sehr erschöpft aus.«
    »Das werde ich. Gute Nacht.«
    Segev grinste in sich hinein, als er das Zelt verließ. So war das also mit dem Ruf des Blutes, dachte er. Pandsala hatte nichts von ihrer Schwester Ianthe in ihm entdeckt. Es war ein Wagnis gewesen. Doch die Nacht und das Erlebnis, wie Mireva durch ihn gewirkt hatte, besonders aber Andrades Tod hatten ihn berauscht. Er hatte gespürt, wie die Kraft ihn durchraste – wie ein kalter, beißender Schneesturm, der in seiner eigenen Körperhitze verbrannte und sich in wilde Ströme dieser Stärke verwandelte. Sein Geist sehnte sich nach der Sternenrolle und den Zaubersprüchen, die ihm noch mehr Macht offenbaren würden. Doch er musste noch warten.
    Doch nicht mehr lange.
    Er ging zu den Zelten des Hoheprinzen, wobei er sorgfältig darauf achtete, dass die Wachen seinen Ring bemerkten. Vor Maarkens Zelt blieb er stehen, lauschte den Stimmen und sah die Schatten an der Zeltwand.
    »Hollis – bleib heute Nacht hier. Es geht dir nicht gut, und es ist besser …«
    »Ich will zurück und in meinem eigenen Bett schlafen!«
    »Aber hier ist dein Bett! Du wirst meine Frau sein! Jedes Bett, in dem ich bin, sollte auch deins sein!«
    »Maarken – lass mich in Ruhe. Ich kann nicht …«
    Segev grinste wieder. Er hätte beinahe aufgelacht, als er sah, wie der Schatten, der Hollis war, sich den ausgestreckten Armen des größeren Schattens entzog.
    Hollis fuhr auf: »Tu nicht so, als ob ich dir gehöre!«
    Bei ihrer Flucht aus dem Zelt stolperte sie fast über Segev. Plötzlich war es, als würde sie nicht hören, wie Maarken rau ihren Namen rief – als würde

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