Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Mondlaeufer

Mondlaeufer

Titel: Mondlaeufer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Melanie Rawn
Vom Netzwerk:
meinen Händen fühlen, Ruval. Ich muss sie haben, ich muss. So viel ist verloren gegangen. Es ist kaum zu glauben, dass Merisel alles niedergeschrieben hat. Sie war unsere mächtigste und unversöhnlichste Feindin. Und dennoch scheint sie fast alles gewusst zu haben! Wer hat ihr das alles erzählt? Wie hat sie ein solches Wissen erworben?«
    Ruval breitete weit die Arme aus und ließ den Stuhl wieder auf den Boden kippen. Dann stand er auf, um sich Wein einzuschenken. Während sie ihm zusah, merkte sie, wie ihre Anspannung nachließ und sich stattdessen etwas anderes in ihrem Körper regte. Er war in diesem Frühjahr und Sommer wirklich zum Mann herangewachsen. Seine Schultern waren muskulöser, die Umrisse seines Körpers und seine Gesichtszüge waren hart und klar. Er hatte die wilde Schönheit einer Raubkatze. Selbst wenn er sich einfach entspannt zurücklehnte oder bequem mit einem Kelch in der Hand dastand, konnte man die verhaltene Kraft in ihm spüren. Mirevas Blick lief an ihm herunter, und langsam zog ein Lächeln ihre Lippen auseinander.
    Ruval kannte diesen Blick. Er lachte. »Wir sollten Andrades Tod wirklich feiern«, schlug er vor, nahm einen tiefen Schluck Wein und setzte den Kelch ab. »Schließlich werden sie heute nicht mehr sehr viel unternehmen. Wir brauchen uns nicht mit Zuschauen zu langweilen.«
    »Hast du dir denn schon ausgedacht, wie wir das feiern könnten?«, fragte sie gedehnt.
    Er lachte bloß wieder.
    Doch als sie etwas später in einem Haufen halb abgeworfener Kleider auf ihrem Bett lagen, wich sie plötzlich zurück und nahm sein Gesicht zwischen beide Hände. Wilde, blaue Augen, die vor Leidenschaft glühten, funkelten sie voller Unmut über diese Unterbrechung finster an.
    »Hör zu«, sagte sie und atmete heftig. »Heute Nacht müssen wir ganz genau zuschauen. Jede Nacht. Bis Segev mit den Schriftrollen zurückkehrt.«
    »Traut Ihr meinem Brüderchen etwa nicht?«, spottete er. »Wenn ich das nicht täte, wäre er schon tot.«
    Ruval grinste auf sie hinab und wandte den Kopf, um seine Zähne in ihre Hand zu senken. »Und dasselbe gilt für mich, nicht wahr? Aber außer diesem feigen Dummkopf Marron bin ich alles, was Ihr habt, Mireva. Behandelt mich liebevoll, Herrin, und ich schenke Euch ein Prinzenreich.«
    »Behandelt mich liebevoll, mein Herr, und ich schenke Euch alles. Vom Meer der Morgenröte bis zu den Fernen Inseln.« Sie legte ihre Hände fest um sein Gesicht und grub ihre Finger in sein Haar. »Denk daran.«
    »Wie könnte ich das vergessen?« Er griff nach ihren Handgelenken und breitete ihre Arme auf dem Bett weit aus. »Werdet Ihr das eines Tages auch mit Pol machen?«, fragte er. Seine Augen brannten auf einmal noch heißer.
    Als Antwort konzentrierte sie sich auf das Dranath, das in dem Wein gewesen war, und ließ es zusammen mit alten Zaubersprüchen wirken, um sich in das wunderschöne, biegsame Mädchen zu verwandeln. Sie warf das dicke, schwarze Haar über ihre Schulter, reckte sich und genoss den jungen, geschmeidigen Körper, in dem sie jetzt steckte.
    Ruval lachte. »Wahrhaftig, eines Prinzen würdig! Möge seine Göttin Mitleid mit ihm haben!«
    Es war ein weiter Weg bis zu den Klippen, wo man das Ritual abhalten wollte. Rohan fürchtete, dass die Entfernung vielleicht für Chale und Clutha, vor allem aber für Lleyn zu weit sein würde. Doch Chale konnte sich auf Gemma und Tilal verlassen, und Clutha hatte Halian. Lleyn stützte sich nur auf seinen Drachenkopfstab, obwohl Chadric und Audrite sich so nahe hielten, dass ihre Fürsorge ihn immer wieder zu zornigen Blicken verleitete.
    Andry hatte sich darum gekümmert, dass ein geeignetes Steinpodest für den Scheiterhaufen errichtet wurde.
    Zusammen mit Urival hatte er eine Stelle dort ausgewählt, wo die Felsenklippen am höchsten waren. Direkt über der See. Steine waren zu einer flachen Plattform aufgeschichtet und mit seidenweichem Samt bedeckt worden, den seit dem Weben niemand mehr berührt hatte. Man hatte auch rasch aus einem Baum, der an diesem Morgen erst gefällt worden war, eine Bahre gefertigt. Ein Holzschnitzer war vom Markt hergerufen worden, um die Sprossen und Stangen zu glätten; ein Goldschmied hatte die vier Handgriffe vergoldet; ein Juwelier hatte sie mit Mondsteinen besetzt.
    Rohan hielt jetzt zwei dieser Griffe. Sie waren durch die Vergoldung kalt, und die weich gerundeten Edelsteine drückten in seine Handflächen. Chay trug die Bahre am anderen Ende, an Andrades Füßen. Rohan

Weitere Kostenlose Bücher