Mondlaeufer
das Erstaunen seiner Brüder nach jener Nacht in Mirevas Haus erinnerte. Er drehte sich um, um sein Kichern in dem Kissen zu ersticken, doch die Bewegung der Laken um seinen Körper erinnerte sein Fleisch an jene Nacht.
Er war zu ihrem Haus hinaufgeritten, das sich an den Berg schmiegte, und hatte sich gesagt, dass Ruval und Marron kein Recht hatten, ihn immer noch wie ein Kind zu behandeln. Er war ebenso Roelstras Enkel wie sie, und Mireva war einverstanden damit, dass er diese wichtige Aufgabe in der Schule der Göttin übernahm. Er trat ein und erwartete, eine Lektion zu hören, wie er Lady Andrade überlisten könnte. Doch es war nicht Mireva gewesen, die ihn erwartete.
Jenes Mädchen war offenbar einige Winter älter als er gewesen, doch mit fast sechzehn war Segev bei Weitem alt genug, ihre Schönheit zu bewundern. Eine schlanke Taille, reichlich Kurven darüber und darunter, gekleidet in ein Hemd, das noch einige Nuancen heller war als ihre blassblauen Augen. Schwarzes Haar floss in dicken, losen Wellen unter einem zarten goldenen Schleier hinunter, an dessen Ecken Silbermünzen hingen. Ihr Gesicht war um die Augen rund und lief am Kinn spitz zu. Sie hatte rosenfarbene Lippen und Wimpern, die sie sanft senkte, als sie flüsterte: »Ihr seid viel hübscher als Eure Brüder, Herr.«
Das Nächste, an das er sich sicher erinnern konnte, war wieder ihre Stimme. Sie hatten auf dem vertrauten Teppich vor dem Kamin gelegen, beide schweißgebadet, und sie hatte gesagt: »Ihr seid auch mehr Manns als Eure Brüder.« Dann hatte sie gelacht.
Schwindelnd war Segev vor ihr zurückgezuckt. Nicht mehr das junge Mädchen lag neben ihm, sondern Mireva, eine Frau, die alt genug war, seine Großmutter zu sein.
Doch sie sah in jener Nacht nicht aus wie eine Großmutter. Wenn der Bann auch gebrochen war, so erkannte er doch die wissende Berührung ihrer Finger und sehnte sich plötzlich nach ihrem Mund. Im Morgengrauen lagen sie in ihrem Bett, und Mireva lachte immer noch.
»Deine Brüder haben es beide dreimal geschafft. Du aber hast mich viermal befriedigt!«
»Fünfmal«, sagte er und griff nach ihr.
»Oho, du magst jung sein, und es ist junges Feuer in deinem Blut, aber ich möchte nicht mehr so schnell verbrannt werden. Sei nicht zu eifrig, wenn deine Nacht in der Schule der Göttin gekommen ist, und lass die Frau nicht spüren, wie viel du weißt.«
Dann hatte sie ihm erklärt, dass das Faradhi -Ritual eine Verkehrung der alten Sitten sei, wo nur die Mächtigsten die Unberührten initiiert hatten – wie es ihr Recht war. Lichtläufer waren so schwache Zauberer, dass sie diesen Akt in völliger Finsternis und absoluter Stille vollzogen, damit ihre Illusionen nicht zerbarsten.
»Jeder Dummkopf ab sechs Ringen kann sich zu der Jungfrau legen – wahrscheinlich weil die, die sich für die Mächtigsten halten, zu alt sind.«
»Dann wird es also nicht Andrade sein«, erwiderte er mit einem Seufzer der Erleichterung.
Mireva hatte die Beleidigte gespielt. »Sie ist nur zehn Jahre älter als ich!«
»Sagt dreißig, dann will ich Euch glauben.«
Die Antwort hatte sie so erfreut, dass es ein fünftes Mal gab, ehe sie die Unterhaltung fortsetzen konnten.
Segev warf sich in seinem Bett herum und verfluchte sich, dass er sich so lebhaft erinnern musste. Er zwang sich, an die Aufgaben zu denken, die vor ihm lagen. Zuerst musste er die Illusion aufrechterhalten, dass er ein einfacher Faradhi -Schüler war. Die Aussicht auf geregelten Unterricht und Disziplin langweilte ihn, doch er musste das durchstehen, um sein nächstes Ziel zu erreichen: die schöne Lichtläuferin mit den goldenen Haaren, die in seiner Mannesnacht zu ihm kommen sollte. Er würde sichergehen müssen, dass sie das Recht bekam, zu ihm zu kommen. Dann würde er ihr den Wein mit Dranath einflößen, genau wie Mireva es gesagt hatte. Hinterher würde es dann andere Möglichkeiten geben, sie langsam, aber sicher abhängig zu machen, ohne dass sie es merkte. Sie würde sich manchmal müde fühlen, ihre Knochen würden schmerzen, und dann würde Segev da sein, voll zärtlicher Sorge, und ihr Wein oder Tee zur Stärkung anbieten. Wenn er schlau vorging, würde sie glauben, dass nicht die Droge, sondern er ihre Stimmung und Gesundheit verbesserte. Wenn dann die Gelegenheit kam, die Schriftrollen zu stehlen, würde sie sicher seine willige Komplizin sein. Natürlich würde er nichts Ungewöhnliches oder Unmögliches verlangen. Nur ein Pferd am Tor, ein paar Lügen,
Weitere Kostenlose Bücher