Mondlaeufer
um ihn für die Zeit des Diebstahls zu decken – und wenn er fort war, würde sie ihn leidenschaftlich verteidigen und dabei langsam immer schwächer werden und schließlich am Dranath -Entzug sterben.
Vor Jahren hatte es schon einmal einen Lichtläufer gegeben, der daran gestorben war. Mireva hatte ihm die Einzelheiten darüber erzählt, als er sich an jenem Morgen anzog. Sie hatte ihm auch von den Geschehnissen in jener Nacht erzählt, in der Masul geboren war. Segev hatte ihr Bedauern, dass Ianthe Prinz Rohan nicht für sich gewinnen konnte, nicht teilen können. Wieso sollte er die Umstände bedauern, die zu seiner eigenen Geburt geführt hatten.
Er erinnerte sich kaum an seine Mutter. Strahlende, dunkle Augen, ein seltenes, kostbares Parfüm, raschelnde Röcke, ein weicher Schoß, mehr war ihm nicht geblieben. Seine Brüder hatten ihm erzählt, dass sie in ihrem letzten Jahr hochschwanger gewesen war, doch daran erinnerte er sich nicht. Der Bruder oder die Schwester war in jener Feuersnacht mit ihr umgekommen. Sie war Segevs erste deutliche Erinnerung.
Alles hatte nach Rauch und Angst gerochen, er hatte Todesschreie und das Prasseln des Feuers gehört, als er aus tiefem Schlaf gerissen worden war. Draußen hatte er ein riesiges, gieriges Flackern gesehen. Man hatte ihn unsanft die brennende Treppe hinuntergetragen und ihn dabei so fest gehalten, dass es wehtat. In dem dicken Rauch und den Flammen hatte er nicht atmen können. Er hatte nach seiner Mutter geschrien und mit seinen Fäusten auf der Brust der Wache herumgetrommelt, halb erstickt in den Falten eines stinkenden Umhangs. Und die Schmerzen, als man ihn über einen Sattel geworfen hatte. Er erinnerte sich auch an den Blick zurück auf die verfrühte Morgenröte im Osten, die doch nur das brennende Feruche war.
Marron hatte Segev gern mit seiner Angst vor Feuer aufgezogen. Doch Segev hatte irgendwann erkannt, dass sein Bruder sogar noch mehr Angst hatte als er selbst, und hatte ihn einmal zu Tode erschreckt, als er Marron um Mitternacht eine Kerze vor das schlafende Gesicht hielt. Seither hatte Marron ihn nie mehr aufgezogen.
Segev seufzte wieder und rollte sich fester in seine Decke. Das hier war eine andere Kälte als die in den Bergen: Feucht von der Seeluft kroch sie eisig um seine Knochen, wie es nicht einmal die Schneekälte konnte. Er sah über die anderen Betten zum Kamin hinüber. Obwohl er die Wärme des Feuers zu schätzen wusste, würde er sich nie mit ihm anfreunden können. Feuer gehörte den Lichtläufern.
Er lag ganz still, denn er hörte an der Tür Stimmen flüstern, als jemand noch einmal nach den Neuankömmlingen sah. Er fing den Namen auf, den er sich gegeben hatte, und grinste in sein Kissen. Er kannte ein paar Worte der alten Sprache, und Mireva hatte sich köstlich amüsiert, als er ihr erzählte, wie er sich rufen lassen würde: Sejast – »der dunkle Sohn«.
Die Stimmen waren verebbt, und die Tür wurde wieder geschlossen, sodass das einzige Licht vom Kamin her kam. Er würde Feuer beschwören müssen, um seinen ersten Ring zu bekommen und die Nacht mit der blonden Frau zu verbringen. Er musste achtgeben, dass er nicht zu viel herbeirief, damit man keinen Verdacht schöpfte. Er freute sich zwar nicht auf die Prüfung, doch er wusste, dass er es tun konnte – er musste es tun, und zwar bald.
Wenn der erste Ring an seinem rechten Mittelfinger glitzerte und er durch Dranath über die hübsche Lichtläuferin herrschte, würde er Lady Mireva beweisen, dass er derjenige war, der Prinz Pol herausfordern sollte, nicht Ruval.
Kapitel 8
Kurz bevor der Frühling dem Sommer wich, kehrten die Drachen in die Wüste zurück.
In Stronghold sahen Rohan und Tobin gleichzeitig von dem Tisch hoch, wo sie ihm eine Karte erläutert hatte. Die Geschwister standen auf, um gebannt nach Norden aus dem Fenster zu schauen. Sioned und Chay lächelten einander spöttisch zu und rollten dann die Pergamente auf dem Tisch zusammen. Heute würde nicht mehr gearbeitet werden.
Pol war mit Myrdal auf der Sandebene unterhalb von Stronghold unterwegs und berichtete, was er als Knappe von Prinz Lleyn erlebt hatte. Die alte Frau nickte beifällig dazu. Sie hatte früher einmal die Schlosswache befehligt und mehr als einen Jungen in den Ritterkünsten unterwiesen – so auch Prinz Chadric, und so war es in gewisser Weise so, als wenn Myrdal auch Pol erzogen hätte. Er lächelte bei diesem Gedanken. Doch plötzlich blieb sie stehen, stellte ihren
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