Mondlaeufer
gutmütig verzweifelte Grimasse, und er lächelte. Er mochte Hollis und fand, dass sein Bruder gut gewählt hatte; die Kinder der beiden würden nicht nur schön und klug sein, sondern auch zum Faradhi geboren. Er fragte sich allerdings, wie seine Eltern es wohl aufnehmen würden, wenn Maarken eine Frau nahm, die weder Familie noch Land, noch Reichtum, noch irgendetwas anderes außer ihrer Schönheit und ihren Lichtläufer-Ringen vorzuweisen hatte. Natürlich war ihnen das Glück ihrer Söhne am wichtigsten, sonst hätte Andry niemals diesen Weg wählen dürfen. Doch Maarken war der Erbe. Andry wünschte, dass auch Sorin Hollis schon kennengelernt hätte. Dann würden sie sich beraten und eine Strategie ausarbeiten können, um ihren älteren Bruder zu unterstützen.
Hollis hatte sich nicht bewusst mit Andry angefreundet oder ihn zu ihrem Verbündeten gemacht. Sie war ihm sogar eine Zeit lang ausgewichen, nachdem sie diesen Winter aus Kadar Water zurückgekehrt war. Andry war verletzt gewesen, bis er plötzlich erkannte, dass sie einfach fürchtete, er könne sie nicht mögen oder würde an ihrer einfachen Herkunft Anstoß nehmen. Sie hatte nicht gewagt, auf ihn zuzugehen, weil sie nicht den Eindruck erwecken wollte, sie wolle sich einschmeicheln. Andry hatte über die unverständlichen Gedankengänge von Frauen nur den Kopf geschüttelt und war selber auf sie zugegangen. Innerhalb von einem Tag waren sie Freunde geworden – zuerst hatte sie einen Schreck bekommen, doch dann hatte sie gelacht, als er mit den Worten anfing: »Also Ihr seid die Lichtläuferin, die mein Bruder heiraten will.« Seine Direktheit hatte ihr geholfen, ihre Ängste ehrlich einzugestehen. Unabhängig von ihrer Liebe zu seinem Bruder waren sie Freunde geworden.
Darum schalt sie nun wie eine ältere Schwester: »Nicht hungrig? Und wovon willst du leben? Vom Glanz deines Verstandes, wenn du hier herumsitzt und große Gedanken wälzt? Kämm dich und komm zum Essen.«
Er stand auf und verbeugte sich gehorsam, lachte jedoch dabei. »Die Göttin helfe meinem Bruder, wenn ihr erst verheiratet seid.«
»Die Göttin helfe dem armen Mädchen, das dich heiratet«, gab Hollis scharf zurück. »Komm, du willst doch nicht die Neuankömmlinge verpassen, oder?«
»Oh! Natürlich nicht. Ich hatte vergessen, dass das heute ist. Danke, dass du mich geholt hast, Hollis. Ich sehe so gerne zu, wenn sie sich zum ersten Mal vor Andrade verbeugen.« Als sie das Zimmer verließen und die Treppe hinabstiegen, fuhr er fort: »Obwohl ich Andrade mein Leben lang kannte, hatte ich an jenem Abend auch fürchterliche Angst! Ich versuche immer, ihnen zuzulächeln, damit sie wenigstens ein freundliches Gesicht sehen. Aber ich weiß nicht, ob ein Lächeln viel hilft.«
»Nicht viel«, gab sie zu. »Für mich war es anders; ich bin hier geboren und aufgewachsen. Aber bei meiner ersten Verbeugung habe ich mir so sehr die Knie gestoßen, dass ich blaue Flecken bekam.«
»Wie viele sind heute gekommen?«
»Sechs. Urival sagt, dass er noch sechs weitere erwartet, bis der Sommer um ist. Wir hoffen, dass jedes Jahr zwanzig neu zu uns stoßen, aber wir können froh sein, wenn wir zehn bekommen.«
Sie kamen an einen Treppenabsatz, von dem aus die nächsten Treppenstufen von einem Teppich bedeckt waren; ein Zeichen, dass sie sich dem öffentlichen Bereich der Burg näherten. Andry schüttelte bei Hollis’ letzter Bemerkung den Kopf. »Ich kann mir nicht vorstellen, weshalb irgendjemand, der auch nur ahnt, dass er die Gabe haben könnte, nicht so früh wie möglich hierherkommen sollte.«
»Dein Vater brauchte dich nicht für das Land oder als Erben für sein Geschäft«, erklärte sie. »Dein einer Bruder wird Radzyn regieren, der andere wird ein Ritter sein – und ein reiches Mädchen mit viel Land heiraten«, fügte sie etwas wehmütig hinzu.
»Und darum kann Maarken heiraten, wen sein Herz begehrt«, sagte Andry mit fester Stimme. »Aber ich weiß, was du meinst. Bei Frauen ist es aber doch dasselbe, nicht wahr? Man braucht sie in der Burg, im Geschäft. Oder für eine Zweckheirat. Es ist wirklich schlimm. Sie sollten alle kommen, was auch immer dagegen spricht.«
»Andere haben andere Pflichten und Ansichten. Übrigens glaube ich, dass Andrade an diesen Abenden nur deshalb so viel Furcht verbreitet, damit alle Ängstlichen, die sich doch nicht sicher sind, aussortiert werden können.«
»Wenn sie nicht hier sein wollen, dann sollten sie es auch nicht. Aber ich kann mir
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