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Mondlaub

Titel: Mondlaub Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tanja Kinkel
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Falken großzügiger untergebracht, und mit zwei Bewohnern würde es noch enger werden. Als sie Doña Maria jedoch aus der Nähe sah, zuckte sie zusammen. Die Duena hatte die gleiche Stupsnase und die Grübchen, die Tariq gehabt hatte. Ihre Haare konnte Layla nicht sehen, da sie wie bei allen Frauen über zwanzig von einer Haube bedeckt waren.
    Doña Maria lächelte ein wenig verwirrt.
    »Ich danke Euch, mein Kind.«

    Wie sich herausstellte, hatte Laylas Großvater ihr noch nicht einmal ein Gehalt versprochen, nur die Gnade, unter seinem Dach wohnen zu dürfen. Sie erkundigte sich schüchtern nach Isabel.
    »Sie ist krank«, sagte Layla kurz, während sie gemeinsam Doña Marias wenige Habseligkeiten in die Kammer schafften.
    In Wahrheit hatte sich Isabel seit der Taufe ihrer Tochter mehr und mehr in einen Zustand wortloser Starre zurückgezogen, wie sie es schon unmittelbar nach Tariqs Tod getan hatte. Sie verließ ihr Gemach kaum mehr und sprach zu niemandem. Einmal am Tag besuchte Layla sie, wusch sie, da die neue Zofe für solche einfachen Notwendigkeiten nicht mehr Sinn hatte als der Rest der Christen, bürstete ihre Haare und redete ein wenig mit ihr. Sie wusste nicht, ob ihre Mutter ihr so lieber war denn als die Fremde, mit der sie hierher gekommen war.
    Doña Maria nahm ihre Aufgabe, Layla für eine Vorstellung bei Hofe und eine mögliche Heirat präsentabel zu machen, sehr ernst. Sie war entsetzt über viele der Angewohnheiten ihres Zöglings, und nachdem sie mit Überredung nicht weiterkam, versuchte sie es mit Strenge.
    »Derartiges mag bei den Mauren in Ordnung gewesen sein, mein Kind, aber nicht hier. Wenn Euer Großvater einen Gemahl für Euch finden soll…«
    »Vielleicht will ich gar nicht heiraten«, sagte Layla brüsk. »Und ganz bestimmt nicht jemanden, den er mir aussucht.«
    »Das ist Unsinn«, entgegnete Doña Maria sachlich. »Jedes Mädchen muss heiraten, wenn es den Älteren gefällt.« Sie hätte normalerweise das Wort »Vater« verwandt, doch Doña Maria war taktvoll. Layla widersprach ihr.
    »Aber eure eigene Königin sollte doch nach dem Wunsch ihres Bruders den König von Portugal heiraten, und stattdessen entschied sie sich für Don Fernando.«
    »Die Königin ist die Königin«, sagte Doña Maria knapp.

    »Nun«, erwiderte Layla, »ich bin eine Prinzessin.«
    »Nicht hier«, gab Maria in gleich bleibendem Tonfall zurück,
    »hier seid Ihr eine de Solis.«
    Sie meinte es nicht böse, aber es versetzte ihrer Schülerin einen Stich. Mutmaßlich, das wusste Layla, hätte sie auch in Granada heiraten müssen, wenn ihr Vater darauf bestanden hätte, trotz ihres heimlichen Vorsatzes, Wallada in allem nachzueifern.
    Doch wenn es Freier gegeben hätte, wären sie zur Alhambra gekommen, und nicht sie wäre irgendwohin geschickt worden, um sich wie auf dem Markt feilzubieten. Wahrscheinlicher jedoch war, dass sie in Ermangelung von Freiern und ohne eigenen Heiratswunsch für den Rest ihres Lebens in der Alhambra geblieben wäre, nicht als ausgenützte Arbeitskraft wie Doña Maria, sondern als geehrte Verwandte; so bestimmte es der Koran. Die Unterhaltung mit Tariq zu diesem Thema fiel ihr ein, und hastig lenkte sie das Gespräch auf etwas anderes.
    »Was mich an Eurer Sprache immer verwirrt hat«, sagte sie offen, »sind die vielen erklärenden Wörter, die notwendig sind, um etwas auszudrücken, was im Arabischen selbstverständlich ist. Zum Beispiel brauche ich das Wort ›sein‹, um ›Allahu karim‹ zu übersetzen. ›Gott ist freigebig.‹ In Arabisch genügt es, ›freigebig‹ mit ›Gott‹ zu verbinden - es gibt gar keine andere Möglichkeit. Und um ›la ilaha illa Lha‹ zu übersetzen…«
    »Ich verstehe«, unterbrach Doña Maria sie hastig und setzte zu einem Exkurs über die Schönheit der kastilischen Sprache und deren Korruption in Ländern wie Aragon oder Navarra an.
    Layla unterdrückte ein Lächeln. Sie wusste, warum die Duena sie unterbrochen hatte. Selbst diejenigen Christen, die nie in Granada gewesen waren, wussten, dass »Es gibt keinen Gott außer Gott« der Grundsatz des Islam war.
    Doña Maria verhalf Layla, sehr zur Befriedigung Don Sanchos, zu einem makellosen kastilischen Akzent. Sie brachte ihr auch bei, sich in den steifen Kleidern mit der richtigen Haltung zu bewegen, richtig zu grüßen, sich auf die richtige Art zu verbeugen. Es war für die Duena zwar nicht ganz verständlich, warum das Mädchen nicht glücklich war, einer barbarischen Welt entkommen zu

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