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Mondlaub

Titel: Mondlaub Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tanja Kinkel
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Groll hinzu, obwohl er sich sonst hütete, bei seinen Bekehrungsversuchen ausfällig zu werden, »dass die Mauren, so zerstritten sie auch sind, sich einigen können, wenn es gegen die Sache der Christenheit geht. Man berichtet, dass der Kommandant von Loja der Schwiegervater des jungen Emirs und ein erbitterter Feind des alten Emirs sein soll, und dennoch eilte der Fürst, dein Vater, ihm zu Hilfe.«
    Laylas Mund war plötzlich trocken. »Der Kommandant von Loja war Ali al Atar?« Pater Alvaros Miene erhellte sich. »So lautete der Name, richtig. Du musst mir vergeben, meine Tochter, aber all diese maurischen Namen fallen meiner Zunge ein wenig schwer.«

    Inzwischen war es Sommer geworden, und die schweren, unbequemen Gewänder klebten an ihr und kratzten sie, als sie in den Raum eilte, den der alte Mann ihr zur Verfügung gestellt hatte.
    Sie stolperte ein paar Mal und schlug sich das Knie auf, ohne es zu spüren. Was Layla antrieb, war der brennende Wunsch, endlich jemanden für alles bezahlen zu lassen, was sie verloren hatte. Und offenbar war sie die Einzige, die Tariqs Tod an den Schuldigen rächen wollte; ihr Vater rettete Tariqs Mörder, und ihre Mutter rächte sich auf eine unbegreifliche Weise an Layla.

    In den letzten Wochen hatte sich in Layla eine Idee geformt, erst vage, dann immer deutlicher; es war ein Strohhalm, völlig verrückt noch dazu, aber mittlerweile war sie so verzweifelt, dass sie irgendetwas tun musste, und sei es auch etwas Wahnsinniges.
    Sie schlug die schwere Tür zu und drehte den Schlüssel um. Ein Teil von ihr empfand flüchtig Dankbarkeit für die vielen Türen in christlichen Burgen, die einem das Alleinsein sicherten.
    Doch der Gedanke verflog sofort; alles in ihr war auf die Verwirklichung ihres Planes gerichtet.
    Vorsichtig legte sie ihren Ring, das Einzige, das sie noch aus der Alhambra besaß, auf den Boden und zeichnete ein Pentagramm um den Reif, wie Salomon, den Allah zum Herrn über die Dschinn gemacht hatte, es in den Legenden getan hatte. Danach schnitt sie sich mit dem Messer, das sie seit ihrer Ankunft in der Burg immer bei sich trug, eine Haarsträhne ab und schlang sie zu einem Knoten.
    Das Übel der Nacht… Zauberinnen, die auf Knoten blasen… Glaubst du noch an Märchen?, konnte sie in sich eine höhnische Stimme wispern hören. Glaubst du noch daran?
    Sie verdrängte die Stimme. Verbissen versuchte sie, sich an den Wortlaut aus den Geschichten zu erinnern. Als sie sprach, gelang es ihr nur mit Mühe, nicht zu schreien. »Im Namen Allahs, der alle Geister erschaffen hat, im Namen Salomons, der sie beherrscht - komm und hilf mir!«
    Und sie blies.
    Etwas schien den Atem aus ihr herauszusaugen, immer stärker, immer stärker, etwas trieb ihr Staub in die Augen und brachte sie zum Tränen, etwas schüttelte sie, bis sie zu Boden sank, ein rauschendes Pochen in ihren Ohren.
    »Gut«, sagte eine Stimme ein wenig spöttisch, aber freundlich.
    »Noch ein paar Monate, und du wärst zu alt dafür gewesen, Layla.«

    Die Stimme kam ihr bekannt vor. Mühsam hob sie den Kopf.
    Vor ihr stand ein großer dunkelhaariger Mann, der arabische Kleidung trug, aber weder den Tailasan noch den Bart, zu dem ihn sein Alter von etwa dreißig Jahren eigentlich verpflichtet hätte. Er beobachtete sie belustigt.
    Layla rutschte an die Wand und richtete sich langsam auf.
    »Im Namen Salomons…«, begann sie wieder mit zitternder Stimme.
    Er lachte.
    »Ich ehre Salomons Namen, aber ich bin kein Dschinn, Layla. Du hast nicht nach einem Dschinn gerufen. Ich denke, du weißt, wer ich bin.«
    Sein Lachen war ihr vertraut. Sie hatte es in einem Traum gehört, in der Halle der Botschafter und in einem Garten, vor so langer Zeit, dass es in einem anderen Leben gewesen zu sein schien. Sie ballte ihre Hände zu Fäusten, um das Beben zu unterdrücken und die Beherrschung wiederzufinden. Es war ihr gelungen. Es war ihr tatsächlich gelungen. Einige Geschichten entsprachen also doch der Wahrheit. Warum dann diese unsinnige Angst? Schließlich war sie jenseits aller Furcht.
    »Jusuf ben Ismail«, flüsterte sie schließlich.
    »Josef ha Levi«, erwiderte er. »Ich trug beide Namen. Wie deine Mutter oder du. Deswegen konnte ich zu dir kommen… Lucia.«
    Diesen Namen hatten sie ihr für die Taufe ausgesucht. »Das ist nicht mein Name«, presste sie hervor. Er achtete nicht darauf.
    Er hob seine Arme, starrte seine Hände verwundert an. Dann warf er den Kopf zurück und lachte wiederum.
    »Ein

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