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Mondlaub

Titel: Mondlaub Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tanja Kinkel
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Offenbar hatte er sich unter der Tochter der berüchtigten Isabel de Solis etwas anderes vorgestellt.
    Damit wäre die Einführung eigentlich beendet gewesen, und Layla machte bereits Anstalten, sich zurückzuziehen, als die Königin wieder das Wort an sie richtete.
    »Und Eure Mutter, Doña Lucia? Warum begleitet sie Euch nicht?«
    Der Blick des Königs wurde wieder aufmerksam. »Sie ist krank, Euer Hoheit«, erwiderte das Mädchen, und von einem Impuls getrieben, setzte sie hinzu: »Wir vermissen beide unsere Heimat, doch ihre Gesundheit ist anfälliger als meine. Wir sorgen uns um das, was dort geschieht.«
    Ein Ächzen ging durch die Schar der Höflinge. Don Sancho starrte seine Enkelin an, als hätte sie sich in ein Ungeheuer verwandelt. Der Mund des Königs presste sich zusammen, und seine Augen wurden kalt. Nur die Miene der Königin hatte sich nicht verändert.
    »Dann werden unsere tapferen Hidalgos dafür sorgen müssen«, sagte sie lächelnd, »dass Ihr Eure Heimat bald wiederseht. Inzwischen jedoch wird es mich freuen, Euch unter meinen Hofdamen zu wissen, Doña Lucia.«

    Damit war Layla entlassen. Dem Lärm nach zu urteilen, der einsetzte, stellte sie nicht ohne Befriedigung fest, hatte sie einen mittleren Skandal verursacht. Doña Maria flüsterte entsetzt:
    »Mein Kind, wie konntet Ihr nur?«
    Der alte Mann war weniger zurückhaltend. Er zerrte sie in eine Ecke und zischte: »Wenn wir hier nicht bei Hofe wären, würde ich dich grün und blau dafür schlagen, du elendes Balg. Was hast du dir dabei gedacht?«
    Mindestens ebenso erbost wie er gab Layla zurück: »Ich schä me mich nicht meiner Herkunft, Don Sancho.« Sie hätte sich eher die Zunge abgebissen als ihn mit »Großvater« angeredet.
    Er ließ sie los, musterte sie und strich sich über den Schnurrbart.
    »Hm. Hm. Nun ja, ist ja alles gut gegangen. Aber darüber sprechen wir noch.«

    Doña Maria versetzte die Aussicht, zum Hofstaat zu gehören, in Ekstase, was Layla in Erinnerung an die Burg durchaus verstand. Nicht, dachte sie, dass die Waschgelegenheiten hier bedeutend besser waren. Obwohl sie vorerst noch bei ihrem Großvater untergebracht wurde, fand sie schon bald heraus, dass man die Hofdamen in möglichst wenige Kammern stopfte.
    Hofdame zu sein, war ein unbesoldetes Ehrenamt oder, wie Layla sich gegenüber Doña Maria ausdrückte, eine rein christliche Variante der Sklaverei, denn die Hofdamen ersparten der Königin eine Menge Dienstmädchen. Als die Oberhofmeisterin, Doña Catalina, Layla über ihre Pflichten aufklärte, die in etwa denen Fatimas in der Alhambra entsprachen, brachte das Mädchen zunächst kein Wort heraus. Doña Catalina verwechselte das mit freudiger Überraschung.
    »Ja, es ist wirklich eine große Ehre, mein Kind!« Für die anderen Hofdamen war Lucia de Solis zunächst eine aufregende Neuerscheinung und sie drängten sich um sie wie Motten um eine Kerzenflamme.
    »Seid Ihr wirklich die Tochter des Maurenkönigs?«
    »Stimmt es, dass bei den Mauren die Frauen den ganzen Tag eingesperrt sind und immer verschleiert gehen müssen?«
    Die jüngsten unter ihnen waren immer noch drei Jahre älter als Layla, aber ihre Fragen kamen dem Mädchen so dumm wie die von Kleinkindern vor. Anfangs bemühte sie sich, sie zu beantworten, und teilte ihnen mit, dass sie die Bestimmungen des Propheten über die Frauen gerechter fand als das, was hier galt, wo Scheidungen eigentlich nur einflussreichen Fürsten möglich waren, die ihre ehemaligen Gattinnen dann in der Regel in ein Kloster verbannten, wie es Isabellas Nichte und Rivalin Juana geschehen war.
    »Der Koran gestattet jedem die Scheidung. Ein Moslem, der sich von seiner Gemahlin scheiden lässt, ist verpflichtet, weiter für sie zu sorgen, hat aber nicht das Recht, noch länger über sie zu bestimmen«, erläuterte Layla und zitierte aus der vierten Sure: »O ihr, die ihr glaubt, nicht ist euch erlaubt, Weiber wider ihren Willen zu beerben. Und hindert sie nicht an der Verheiratung mit einem anderen, um einen Teil von dem, was ihr ihnen gabt, ihnen zu nehmen. Verkehrt in Billigkeit mit ihnen; und so ihr Abscheu wider sie empfindet, empfindet ihr vielleicht Abscheu wider etwas, in das Allah reiches Gut gelegt hat.«
    Schweigen empfing sie, als sie endete. Diesmal schauten ihre Zuhörerinnen nicht entsetzt, sondern regelrecht abgestoßen drein. Doña Catalina meinte schließlich kühl: »Heidnische Unsitten. Es wundert mich, Doña Lucia, dass Ihr ihnen noch nachtrauert, aber

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