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Mondlaub

Titel: Mondlaub Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tanja Kinkel
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Ihr seid noch sehr jung und in Eurem Glauben vielleicht noch nicht gefestigt genug. Lasst Euch am besten von einem der weisen Patres bei Hofe über die Heiligkeit der Ehe und andere Dinge unterweisen.«

    Das war das Ende von Laylas Antworten zu Fragen über Granada und den Islam. Eine der jüngeren Hofdamen sagte später zu ihr: »Doña Catalina hat Recht. Ihr solltet nicht derart über heidnische Dinge sprechen, es könnte… missverstanden werden, besonders von Fray Tomas de Torquemada.«
    »Und wer ist Fray Tomas de Torquemada?«, erkundigte sich Layla schlecht gelaunt. Das Mädchen schaute sie verblüfft an.
    »Der neue Großinquisitor natürlich, meine Liebe. Er wurde erst im letzten Monat ernannt.«
    Auf diese Weise erfuhr Layla, dass die Könige von Kastilien und Aragon beim Papst eine Sonderform der Inquisition durchgesetzt hatten. Über die Inquisition wusste sie einiges, weniger durch Pater Alvaro, der das Thema sorgfältig umgangen hatte, als von Ibn Faisal, der sie als Beispiel für die Methode anführte, welche die Christen offensichtlich nötig hatten, um ihre Anhä nger zu behalten. Eigentlich wurde die Inquisition immer von päpstlichen Legaten durchgeführt und unterstand ausschließlich der Kirche; aber Isabella und Fernando hatten nach langen Verhandlungen das Privileg erhalten, selbst Inquisitoren zu ernennen, einschließlich eines Großinquisitors. Der Grund für die Einrichtung der Inquisition waren die conversos, »die Bekehrten«, sagte die junge Hofdame vieldeutig, »von denen man vermutet, dass sie insgeheim noch ihrem alten Glauben anhängen«.
    Nach zwei Tagen in Cordoba war Layla sich nicht mehr sicher, ob die Burg des alten Mannes nicht doch vorzuziehen gewesen wäre. Aber sie wollte unbedingt bleiben, und das hatte seinen Grund. Isabella und Fernando bereiteten sich nämlich auf den Empfang ihres fürstlichen Gefangenen vor. Inzwischen war die Nachricht nach Cordoba gelangt, dass Abul Hassan Ali die Stadt Granada zurückerobert hatte. Die Familie der Banu Sarraj zahlte einen grausamen Preis für ihre Unterstützung Muhammads; alle männlichen Mitglieder wurden ausnahmslos zum Tode verurteilt. Alscha hatte sich unbehelligt in die alte Festung der Stadt, die Alcazaba Cadima, in der die Herrscher von Granada vor dem Bau der Alhambra gelebt hatten, zurückgezogen. Die Cadima und der Stadtteil, in dem sie lag, das Albaicin, stellte damit den letzten Teil des Reiches dar, der Muhammad offen unterstützte; ansonsten hatte Granada wieder einen einzigen Herrscher.
    Der Graf de Cabra, der Muhammad gefangen genommen hatte, hatte sich eigentlich einen Triumphzug erhofft, aber zu seiner und vieler anderer Enttäuschung wurde nichts daraus. Man brachte Muhammad in aller Stille, in der Nacht, nach Cordoba.
    Die große öffentliche Feier würde später kommen, hieß es.
    Als Layla hörte, dass er in der Zitadelle war, nahm sie den kleinen Dolch, der sie in ihrem Exil immer begleitete, und ging zu ihm. Die Wachen machten ihr keine Schwierigkeiten, was wohl an ihrer Jugend oder an ihrem Geschlecht lag.
    Man hatte ihn wieder einmal sehr großzügig - für einen Gefangenen - untergebracht, dachte Layla, als sie eintrat.
    Er spielte gerade die qitar, und er spielte sie gut. Sie blieb stehen, bis er seine Weise beendet hatte und den Kopf hob. Er erkannte sie sofort, was sie nicht erwartet hatte, aber er erschrak nicht.
    »Es scheint geschrieben zu stehen«, sagte er sachte, »dass wir uns nur unter ungünstigen Umständen sehen. Willkommen, meine Schwester.«
    Layla rührte sich nicht. Ungünstige Umstände? Das war alles?
    Diese umständlichen, dichten Kleiderärmel hatten einen Vorteil. Die Damen benutzten sie meistens, um Fächer darin zu verbergen. Sie spürte den kalten Stahl des Dolches beruhigend auf ihrer Haut. Das Grauen, das sie nach dem Tod Ali al Atars gepackt hatte, war abgeklungen. Ich habe einmal getötet, dachte sie. Ich könnte es wieder tun. Vielleicht ist der Verlust von Granada nicht schlimm genug für ihn. Ungünstige Umstände!

    »Warum bist du gekommen?«, fragte Muhammad plötzlich in einem veränderten Tonfall. »Um dich an meiner Demütigung zu weiden? Nun, ich bin hier. Macht das Ali al Atars Tat ungeschehen?«
    »Nicht in tausend Jahren«, entgegnete Layla leidenschaftlich und froh über die offene Kriegserklärung, »könntest du wieder gutmachen, was du getan hast. Nicht Ali al Atar. Du hast dabeigestanden und zugesehen. Du hast nichts getan, um es zu verhindern, nichts, um

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